Gruppenprozesse

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Allgemeine Gruppenprozesse

Wenn Menschen sich zu einer Gruppe zusammenschließen, laufen typische Prozesse ab: die Herausbildung von Gruppennormen, die Differenzierung in soziale Rollen und die Entwicklung von Gruppenkohäsion (syn. Gruppenkohärenz) finden in allen Gruppen statt. Diese Gruppenprozesse gewährleisten, dass aus den einzelnen Mitgliedern überhaupt eine Gruppe entsteht.

Der Begriff Gruppe

Eine Gruppe ist nicht einfach die Mehrzahl von Personen. Unter einer Gruppe versteht man den Zusammenschluss von 2 oder mehr Personen, die unmittelbar miteinander interagieren können, eigene Normen herausgebildet haben und sich zusammengehörig fühlen. Eine Gruppe weist zur übrigen Umwelt abgrenzende Merkmale auf. Es handelt sich um ein dynamisches Gebilde, unterliegt also ständiger Veränderung. Ihre Mitgliederzahl darf eine gewisse Größe nicht überschreiten, sonst spricht man von Massen.

Gruppen lassen sich beispielsweise aufgrund der Dauer des Bestehens, der Gruppengröße, der Zielsetzung, der Geschlossenheit oder dem Formalisierungsgrad unterscheiden. Jeder Mensch ist immer zugleich Mitglied in verschiedenen Gruppen.

Gruppennormen

Beim Zusammenschluss zu einer Gruppe entstehen nach kurzer Zeit Gruppennormen , die das geltende Regelsystem innerhalb einer Gruppe beschreiben, welches festlegt, wie die Mitglieder der Gruppe denken und handeln sollten. Sie erfüllen dadurch eine Orientierungsfunktion und definieren, was die jeweilige Gruppe ausmacht. Die Gruppe übt Druck auf die Einhaltung der Normen aus und sanktioniert Normverletzungen. Gruppennormen können explizit oder implizit sein, für alle Gruppenmitglieder gelten oder nur für einen Teil. Eine Gruppe ohne Normen gibt es nicht. Der Mensch hat ein grundlegendes Bedürfnis nach Normgenerierung und braucht ein Regelsystem zur Orientierung. Ohne eine gewisse Vereinheitlichung des Gruppenhandelns kann sich kein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln.

Soziale Rollen

In einer Gruppe werden den einzelnen Mitgliedern bestimmte soziale Rollen zugewiesen, die mit bestimmten Erwartungen an das Verhalten und das Denken des jeweiligen Rolleninhabers verbunden sind. Rollendifferenzierung erfolgt auf verschiedenen Dimensionen: Die vertikale Dimension steht für die Ausbildung einer Hierarchie, insbesondere umfasst sie die Rolle des Gruppenführers. Auf der horizontalen Dimension lassen sich in der Gruppe bestimmte Prototypen unterscheiden, beispielsweise der Mitläufer, der Außenseiter oder der Sündenbock. Das Beziehungsgeflecht aller vorhandenen sozialen Rollen bildet die Gruppenstruktur.

Gruppenkohäsion

Innerhalb von Gruppen entwickelt sich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, das die Gruppenmitglieder miteinander verbindet. Die Stärke der Verbundenheit in einer Gruppe heißt auch Gruppenkohäsion [syn. Gruppenkohärenz], die sich durch die wahrgenommene Attraktivität der Gruppe bestimmt. Die Gruppenkohäsion bezeichnet folglich die Kräfte, die auf ein Mitglied einwirken, in der Gruppe zu bleiben.

Die Gruppenkohäsion speist sich aus zwei unterschiedlichen Quellen: der Identifizierung mit der Gruppe und dem Grad der Abhängigkeit von der Gruppe. Erfordert die berufliche Situation die Zusammenarbeit in einer Gruppe, wirken eher starke Kräfte auf das einzelne Gruppenmitglied in der Gruppe zu bleiben. Zu den Bedingungsfaktoren der Kohäsion gehören folglich nicht nur die Einzelattraktionen der Mitglieder, sondern auch Gruppenziele oder die Funktion einer Gruppe. Hochkohäsive Gruppen üben auch starken Konformitätsdruck aus und neigen dazu, die eigene Gruppe zu überbewerten und außenstehende Gruppen stereotypisiert wahrzunehmen. Gruppen mit sehr niedriger Kohäsion nehmen sich nicht als Einheit wahr, verletzen Gruppennormen häufig und sind als Gruppe nur bedingt handlungsfähig. Sie drohen sich aufzulösen.

Leistung in Gruppen

Für Gruppen gelten spezifische Gesetzmäßigkeiten. Das Handeln einer Gruppe entspricht nicht der Summe des Handelns der Mitglieder als einzelne Individuen. Dies ist insbesondere bei der Gruppenarbeit zu berücksichtigen. Die Leistung einer Gruppe bestimmt sich unter anderem aus den vorherrschenden Gruppennormen, dem Zusammenwirken der Persönlichkeitsmerkmale der einzelnen Mitglieder, der Art der zu lösenden Aufgabe und generell den jeweiligen situativen Bedingungen. Die Gruppenleistung ist eng verknüpft mit den Prozessen des Informationsaustauschs und der Entscheidungsfähigkeit der Gruppe.

Informationsaustausch in Gruppen

Häufig werden die Informationsmöglichkeiten der Gruppe überschätzt. Es wird nicht berücksichtigt, dass die Weitergabe von Informationen von einem Gruppenmitglied zum nächsten Veränderungstendenzen unterliegt, wie das (unbewusste) Vereinfachen, die Betonung unterschiedlicher Aspekte, das Weglassen oder das Hinzufügen von Detailinformationen. Der Informationsaustausch ist statusabhängig: Mitglieder mit hohem Status haben durchschnittlich mehr Redezeit, zudem finden deren Äußerungen mehr Beachtung. Mitglieder mit niedrigerem Status tendieren dazu Informationen an den Statushöheren so weiterzugeben, dass die Beziehung zum Statushöheren verbessert wird.

Die Kommunikation in (formalen) Gruppen lässt sich nach unterschiedlichen Netzstrukturen organisieren, beispielsweise als Stern, Kette, Kreis oder in Y-Form. Welche der Kommunikationsformen besonders geeignet ist, ist von der Art der zu lösenden Aufgabe abhängig.

Entscheidungen in Gruppen

Bei der Entscheidungsfindung in Gruppen treten Mechanismen auf, die die Qualität der Gruppenentscheidung negativ beeinflussen können. Der Grundsatz der Überlegenheit der Gruppenentscheidung gegenüber der Einzelentscheidung gilt folglich nicht. Insbesondere das Gruppendenken und der Risikoschub bergen potentielle Gefahren für die Gruppenentscheidung.

Das Phänomen des Gruppendenkens (group think) beschreibt Bedingungskonstellationen in Gruppen, die dazu führen, dass eine Gruppe durch Konformitätsdruck und Überschätzung der eigenen Gruppe Fehlentscheidungen trifft.

Häufig wird behauptet, dass Entscheidungen in Gruppen generell eher risikofreudiger ausfallen. Das Phänomen des Risikoschubs (risky shift) tritt aber keineswegs bei allen Gruppenentscheidungen auf. Man kann feststellen, dass im Verlauf einer Gruppendiskussion die Meinung der einzelnen Mitglieder in Richtung des Gruppenmittelwertes angepasst wird. Eine Gruppenentscheidung unterscheidet sich somit von der Einzelentscheidung, die Verschiebung in Richtung eines höheren Risikos ist aber nur eine Möglichkeit. Wenn in einer Gruppe beispielsweise viele risikofreudige Mitglieder sind, die darüber hinaus noch einen hohen Status haben, erfolgt wahrscheinlich eine Verschiebung in Richtung erhöhtes Risiko.

Bedeutung der Gruppenprozesse für die Informationswissenschaft

Die Informationswissenschaft verfolgt das übergeordnete Ziel die Informationsbedürfnisse von Menschen möglichst effizient zu befriedigen. Durch die zunehmende Verbreitung gruppenzentrierter Arbeitsformen gewinnen Kenntnisse über Prozesse in Gruppen an Bedeutung. So muss sich beispielsweise das Informationsmanagement mit Gruppenprozessen beschäftigen, um unter Berücksichtigung der psychologischen Grundlagen effektiven und effizienten Informationsaustausch in Organisationen unterstützen zu können.

Literatur

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Links

Zur Auswirkung von Normen: Stangl, W. (2005). Test und Experiment in der Psychologie. Das Milgram Experiment. Online verfügbar unter: http://www.stangl-taller.at/TESTEXPERIMENT/experimentbspmilgram.html [letzter Zugriff:29.01.2007]