Morphologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Morphologie wird traditionell als die „Lehre von den Formen der Wörter“ definiert. Wie einige andere Begriffe in der Linguistik, kann „Morphologie“ sowohl ein Teilsystem der Sprache (und einzelner Sprachen) bezeichnen, als auch ein Teilsystem der Linguistik, die dieses System analysiert und beschreibt.
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[[definition::Morphologie wird traditionell als die „Lehre von den Formen der Wörter“ definiert.]] Wie einige andere Begriffe in der Linguistik, kann „Morphologie“ sowohl ein Teilsystem der Sprache (und einzelner Sprachen) bezeichnen, als auch ein Teilsystem der Linguistik, die dieses System analysiert und beschreibt.
 
Sie bildet das Bindeglied zwischen der [[Semiotik]] (diese untersucht den Inhalt unabhängig vom Ausdruck) und der Phonologie/Phonetik (sie untersucht den Ausdruck unabhängig vom Inhalt).
 
Sie bildet das Bindeglied zwischen der [[Semiotik]] (diese untersucht den Inhalt unabhängig vom Ausdruck) und der Phonologie/Phonetik (sie untersucht den Ausdruck unabhängig vom Inhalt).
 
Die Morphologie untersucht die Form des Wortes und seine Bedeutungs- und Lautstruktur in ihrer Wechselbeziehung.
 
Die Morphologie untersucht die Form des Wortes und seine Bedeutungs- und Lautstruktur in ihrer Wechselbeziehung.

Version vom 21. Juli 2008, 11:10 Uhr

Definition der Morphologie

Die Morphologie (auch Morphemik genannt) ist kurz gesagt „Die Lehre von der Form“. Der Terminus „Morphologie“ wurde von Johann Wolfgang Goethe geprägt und als Wissenschaft „die sowohl die speziellen, als auch die allgemeinen Strukturgesetzmäßigkeiten der von anderen Wissenschaften behandelten Gegenstände erfassen soll“ begründet. Allerdings ist die von ihm geforderte „ Allgemeine Morphologie“, die disziplinübergreifend agieren sollte, um eine Art Ranking der Wissenschaften und ihren direkten Vergleich zu ermöglichen, aus heutiger Sicht unmöglich, da die Vielfalt und Komplexität der Wissenschaften zu umfangreich geworden ist und die einzelnen Wissenschaften zuviele Spezialgebiete und Untergliederungen beinhalten.

Morphologie in der Linguistik

Historische Grundlage

Ab dem 19. Jahrhundert hat sie sich als linguistische Wissenschaft etabliert, vor allem wegen drei wichtigen Entwicklungen im Bereich der Germanistik und Sprachenforschung:

  • verstärkte Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und Sprache, bis hin zum Indogermanischen
  • im Zuge des Kolonialismus treten exotische und unbekannte Sprachen auf, die völlig von den europäischen Sprachen abweichende Regeln besitzen
  • der Versuch, die bestehenden Wissenschaften in einen Kontext zu setzen, sie zu vergleichen und hierarchisch anzuordnen, wie Goethe es versuchte.

Wichtige Vertreter der Morphologie waren z.B. J. W. Goethe, Jacob Grimm, Franz Bopp und Paul Hermann

Definition und Einordnung

Morphologie wird traditionell als die „Lehre von den Formen der Wörter“ definiert. Wie einige andere Begriffe in der Linguistik, kann „Morphologie“ sowohl ein Teilsystem der Sprache (und einzelner Sprachen) bezeichnen, als auch ein Teilsystem der Linguistik, die dieses System analysiert und beschreibt. Sie bildet das Bindeglied zwischen der Semiotik (diese untersucht den Inhalt unabhängig vom Ausdruck) und der Phonologie/Phonetik (sie untersucht den Ausdruck unabhängig vom Inhalt). Die Morphologie untersucht die Form des Wortes und seine Bedeutungs- und Lautstruktur in ihrer Wechselbeziehung.

Form, Inhalt und Funktion

Form

Der Begriff der Form findet sich auch im Alltagsgebrauch (Form eines Baumes, Form einer Melodie) und beschreibt die sicht- oder hörbare (sinnlich zugängliche) Gestalt von Objekten, also sozusagen die „äußere Seite“.
In der Linguistik gibt es die lautliche und graphische Form von sprachlichen Zeichen:
Die sprachlichen Zeichen Bund und bunt besitzen die gleiche lautliche Form bunt, die zwar phonologisch exakt gleich ist, dennoch besitzen beide Wörter eine unterschiedliche Semantik.
Form bezeichnet auch die Gesamtheit der Relationen, die zwischen den Elementen eines Systems existieren, also die Struktur eines Systems: Die Form von Wirtschafts-, Sternen- oder Flexionssystemen:
Hund als Nominativ (Der bellende Hund) oder Akkusativ (Ich höre den bellenden Hund) im Singular besitzt zwar die gleiche phonologische Struktur, aber beschreibt unterschiedliche Flexionsformen und nimmt damit im Akkusativ andere Funktionen im "System" des Satzes ein als im Nominativ.

Inhalt

Der Inhalt ist die „Gesamtheit, der einem Ding innerlich zukommenden Eigenschaften im Gegensatz zu dessen äußeren Eigenschaften“. Form und Inhalt sind immer aufeinander angewiesen, denn Form ist immer Form eines Inhalts und Inhalt existiert immer in einer bestimmten Form.

Funktion

Die Funktion ist die Fähigkeit eines dynamischen Systems, bestimmte Verhaltensweisen hervorzubringen. Sowohl Inhalt als auch Funktion beeinflussen die Form, und die Form beeinflusst auch den Inhalt und die Funktion.

Skizzierung des Aufbaus eines Sprachsystems

Das Sprachsystem lässt sich grob in folgende Komponenten einteilen:

  • Phoneme (oder minimale bedeutungsunterscheidende Einheiten eines Textes), jedoch ohne inhaltliche Bedeutung /e:/ (langes e), /e/ (kurzes e)
  • Morpheme (oder minimale bedeutungstragende Einheiten); sie setzen sich aus einer Phonemfolge mit eigenem Inhalt zusammen: der, die, das, Mensch, Schrank
  • Wortform (oder minimale autonome Einheiten eines Textes); setzt sich aus einer starren Morphemfolge zusammen: Menschen, Schränke
  • Sätze (oder minimaler Text); sie besitzen sprachliche Strukturen, die Äußerungen darstellen und kommunikative Funktionen besitzen: Ich gehe einkaufen.

Arten der Wortbildung

Flexion

Hierzu zählen Konjugation und Deklination:
Ich lese ein Buch. (an das Grundmorphem les- wird e als Flexionsmorphem der 1. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv angehängt)

Derivation

Durch die Kombination des Grundmorphems mit Affixen (Wortanhängen) entsteht eine Wortableitung:
Krankheit (an das Grundmorphem krank- wird -heit angehängt, ein Derivationsmorphem zur Substantivierung von Adjektiven)

Komposition

z.B. Informationswissenschaft : durch die Komposition der Morpheme Information und Wissenschaft entsteht ein Kompositum

Morphologie und ihre Bedeutung für die Informationswissenschaft

Durch die vielen möglichen Variationen, die aus einem Grundmorphem gebildet werden können, tauchen Probleme, vor allem in der maschinellen Arbeit mit Sprache, auf.

Indexierungs- und Suchsysteme (z.B. der OPAC der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek) können durch eine fehlerhafte Eingabe (Input), beispielsweise aufgrund falscher Flexionsformen, an Effektivität einbüßen, weil sie zu nicht intendierten Ergebnissen kommen:

Der Suchbegriff Die Leiden der jungen Werther

Dadurch, dass man einen einzelnen Buchstaben falsch eingibt, erhält man statt dem gewünschten Werk von Goethe möglicherweise keine oder nicht intendierte Ergebnisse bei der Suche.

Noch stärker ist die Problematik bei phonologisch gleichen, aber von ihrer Bedeutung variierenden Morphemen:

Essen (Stadt) - Essen (Nahrung)

Hier erhält man auf die Suchanfrage möglicherweise die Ergebnisse zum eingegebenen Wort, allerdings u.U. nicht die, die man haben wollte (also zur Stadt), sondern jene, die auf eine andere Bedeutung zutreffen (in diesem Fall: Nahrung).

Auch beim Datenoutput (vor allem auf akkustischer Basis) kann es zu Unklarheiten kommen:
Bund - bunt,wem - wen, seid - seit

Hier ist die Morphologie für die Informationswissenschaft nützlich, indem man mit ihrer Hilfe das Retrieval dadurch verbessern kann, dass man z.B. mit einer morphologischen Analyse Recall und Precision erhöhen kann:
Wird z.B. das Wort "Informationswissenschaft" einer automatischen morphologischen Analyse unterzogen und in "Information" und "Wissenschaft" zerlegt, kann man beim Retrieval auch nur "Information" als Suchwort benutzen, auch wenn im Text "Informationswissenschaft" steht.

Besonders betroffen ist auch die Maschinelle Übersetzung. Hier kann sich durch eine falsche Datenverarbeitung sogar eine Verschiebung der Bedeutung ereignen:

Aus I´m driving to work by car wird, ohne auf die morphologisch/syntaktische Struktur zu achten, ich bin fahrend arbeiten von auto

"I´m driving" muss als Einheit erkannt und verarbeitet werden, "to work" darf nicht als Infinitivform gelesen werden und "by car" muss im Deutschen als Dativ (mit dem Auto) stehen.

Auch hier bietet die Morphologie Lösungsmöglichkeiten: Mit Hilfe von morphologischen Datenbanken (wie z.B. MORPHY, PC-KIMMO oder Shobex). Diese beinhalten Morphemlexika, können die Flexionsformen bestimmen und verwandte oder abgewandelte Wörter aufzeigen. So wird eine Übersetzung in die richtige morphologische Struktur der anderen Sprache ermöglicht.

Quellen

  • Booij, Geert et al (Hrsg., 2000): Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung. Walter de Gruyter, Berlin und New York
  • Klaus, Georg (1974): Funktion. In: Klaus & Buhr (Hrsg.)
  • Simmler, Franz (1988): Morphologie des Deutschen. Flexions- und Wortbildungsmorphologie. WEIDLER Buchverlag, Berlin
  • Warnke, Camilla (1974): Inhalt. In: Klaus & Buhr (Hrsg.)
  • Wildgen, Wolfgang (1984): Goethe als Wegbereiter einer universalen Morphologie. Linguistic Agency University of Trier, Trier

Links

  • Summer Institute of Linguistics (Hrsg., 1996): PC-KIMMO. A morphological parser. Online verfügbar unter: PC-Kimmo
  • Lezius, Wolfgang (2006): Morphy - Morphologie und Tagging für das Deutsche. Online verfügbar unter: Morphy
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