Interaktion: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. September 2008, 09:21 Uhr

Definition

Der Begriff der Interaktion wird in verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich gebraucht (vgl. HARMS, 1997).

Soziologie

Interaktion ist die wechselseitige Beeinflussung des Handelns mindestens zweier Personen. Interaktion ist ein soziales Geschehen, bei dem Menschen ihr Verhalten aneinander orientieren.

Literatur

  • Beavin, Janet H./Jackson, Don D./Watzlawick, Paul (1967): Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Verlag Hans Huber 10. Auflage 2000
  • Endruweit, Günther (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie. Enke-Verlag

Links

(gelesen: 20.04.2008)

In Zusammenhang mit Mensch-Computer-Interaktion:

Die Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) ist die Interaktion der Systeme "Mensch" und "Computer" über eine Mensch-Maschine-Schnittstelle. Konkret geht es um Design, Evaluierung und Implementierung interaktiver Computersysteme für den menschlichen Gebrauch.

Siehe hierzu im Terminosaurus Rex: http://server02.is.uni-sb.de/trex/index.php?query=Mensch-Maschine&id=2.2.5.2.&suche=Y

In dieser Definition fehlt jedoch der Hinweis auf die konkrete Bedeutung von Interaktion. Aus diesem Grund wird folgende Definition von FAULKNER (1998, S.1) hinzugefügt:

„Human computer interaction is the study of the relationships which exist between human unsers and the computer system they use in the performance of their various tasks.“

Sie impliziert, dass an der Interaktion sowohl (mindestens) ein Mensch und andererseits ein Computersystem beteiligt sind.

Einfacher formuliert wird der Begriff Interaktion als „communication between user and system“ (DIX/FINLAY/ABWOD, 2004, S.124) verstanden.

Eine weitere sinnvolle Definition findet sich im ACM SIGCHI (1992-2008) Curricula for Human-Computer Interaction: „Human-computer interaction is a discipline concerned with the design, evaluation and implementation of interactive computing systems for human use and with the study of major phenomena surrounding them.“

Mensch und System – zwei unterschiedliche Interaktionspartner

Der folgende Artikel bezieht sich auf das Verständnis von Interaktion im Zusammenhang mit Mensch-Computer-Interaktion.

Wenn man die Interaktion in diesem Kontext also als einen Dialog zwischen einem System und dem Menschen als dessen Nutzer versteht, müssen diese beiden Interaktionspartner näher betrachtet werden, um später den Prozess der Interaktion zu verstehen. Wie ZÜHLKE (2005, S.79f) richtig feststellt, sind diese

„Kommunikationspartner, die sich in ihren Eigenschaften und Fähigkeiten wesentlich unterscheiden. Während die technische Ausführung von Maschinen hinsichtlich Funktionen, Bedienkonzepten, Automatisierungsgrad etc. vom Konstrukteur in weiten Grenzen variabel gestaltet werden kann, ist der Mensch als Anwender und somit Kommunikationspartner einer Maschine durch weitgehend festliegende Fähigkeiten und somit auch Grenzen gekennzeichnet. Andererseits sind die Eigenschaften und das Verhalten einer Maschine über ihre Lebensdauer in der Regel konstant, während der Mensch in der Lage ist, sich permanent auf neue Anforderungen einzustellen. Der Mensch ist also zwar beschränkt in Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, gleichzeitig aber sehr flexibel in der Lage, neue unbekannte Problemstellungen zu lösen.“

Aus dieser Feststellung lässt sich ableiten, dass der Entwickler eines interaktiven Systems den Nutzer als solchen nicht verändern kann, es bleibt ihm einzig allein die Beobachtung des Nutzers und anschließend die Veränderung auf der Seite des Systems. So „scheint es sinnvoll, dass der Mensch das Maß aller Dinge in der Technikentwicklung sein muss. (...) Die technische Entwicklung muss sich anders gesagt am Menschen mit seinen Fähig­keiten und damit auch Grenzen orientieren“ (ZÜLKE, 2005, S. 81). Dies stellt auch FAULKNER (1998, S.1) fest, wenn sie schreibt: „HCI endeavours to provide an under­standing of both the human user and the computer system, in an effort to make the interactions between the two easier and more satisfying. However the emphasis should always be on the user.“

Ausführliche Beschreibungen beider Interaktionspartner finden sich in den beiden Kapiteln „The Human“ und „The Computer“ bei DIX/FINLAY/ABWOD (2004).

Modelle der Interaktion

Dieses Kapitel bezieht sich, sofern nicht anders vermerkt, auf das Kapitel "The Interaction" bei DIX/FINLAY/ABWOD (2004).

Um die beiden folgenden Modelle verstehen zu können, werden zunächst die grund­legenden Annahmen kurz erläutert (die englischen Begriffe werden beibehalten, da die Modelle auf Englisch verfasst wurden und eine Übersetzung den Sinn nicht exakt wieder­geben würde):

Ein interaktives System soll seinen Nutzer dabei unterstützen ein bestimmtes Ziel (goal) in einem bestimmten Anwendungsgebiet (domain) zu erreichen:

„Some examples of domains are graphic design, authoring and process control in a factory. A domain consists of concepts that highlight its important aspects. In a graphic design domain, some of the important concepts are geometric shapes, a drawing surface and a drawing utensil. Tasks are operations to manipulate the concepts of a domain.” DIX/FINLAY/ABWOD (2004, S. 125)

Das Ziel (goal) ist das gewünschte Ergebnis in Form des Outputs nach der Durchführung eines tasks. Die intention ist eine Handlung, oder auch mehrere Handlungsschritte, die erforderlich ist, um das goal zu erreichen. Nutzer und System werden außerdem unterschiedlich Sprachen zugewiesen:

„The System's language will refer to as the core language and the User's language will refer to as the task language. The core language describes computational attributes of the domain relevant to the System state, whereas the task language describes psychological attributes of the domain relevant to the User state.“ DIX/FINLAY/ABWOD (2004, S. 125)

Diese Begriffe bilden die Grundlage für die beiden folgenden Interaktionsmodelle.

Execution-Evaluation-Cycle

Das wohl erfolgreichste Modell der HCI ist der Execution-Evaluation-Cycle von Norman. Hier wird davon ausgegangen, dass der User eine Vorgehensweise formuliert, die von dem Computersystem umgesetzt wird. Danach oder auch währenddessen beobachtet der User das Interface, um die Ergebnisse zu bewerten und weitere Handlungsschritte zu bestimmen. Es handelt sich also um zwei Phasen, die Execution (die Ausführung) und die Evaluation. Insgesamt unterscheidet Norman sieben verschiedene, auf den User bezoge­ne Schritte:

1.Establishing the goal.

2.Forming the intention.

3.Specifying the action sequence.

4.Executing the action

5.Perceiving the system state.

6.Interpreting the system state.

7.Evaluating the system state with respect to the goals and intentions.


Beispiel

Ein einfaches Beispiel, das bei DIX/FINLAY/ABWOD (2004) erwähnt wird, ist Folgendes: Eine Person X liest und stellt fest, dass es zu dunkel geworden ist. So wäre das goal die Feststellung „Ich brauche mehr Licht“, also Schritt 1. Bei Schritt 2 sind verschiedene intentions möglich. Beispielsweise könnte man die Schreibtischlampe anschalten oder eine Person darum bitten, diese anzuschalten. Schritt 3 entsprechen der Umsetzung der intentions in entsprechende Handlungsschritte. Also entweder herüber beugen und die Lampe anschalten oder zur anderen Person sagen „Kannst du bitte die Lampe anschalten“. In Etappe 4 werden diese Handlungsschritte ausgeführt. Diese ersten vier Schritte bilden also die erste Phase, die Ausführung. In Schritt 5 wird nun der Systemzustand wahrgenommen, in unserem Beispiel, ob das Licht an ist oder nicht. Schritt 6 beinhaltet die Interpretation des Systemzustands, bei nicht angegangenem Licht, könnte man beispielsweise vermuten, dass das Licht nicht ange­gangen ist, weil die Glühbirne kaputt ist oder der Stecker nicht eingesteckt. Im letzten Schritt wird nun das Ergebnis bewertet oder evaluiert. Fällt die Evaluation positiv aus, ist die Interaktion beendet und der Kreis geschlossen, da das gesetzte Ziel erreicht wurde. Das tritt in diesem Beispiel ein, wenn die Person zu dem Schluss kommt, nun genug Licht zum Lesen zu haben. Bei einer negativen Bewertung müssen die 7 Schritte mit der gleichen Zielsetzung, jedoch mit neuen intentions erneut durchlaufen werden. Die Person könnte beschließen, auch noch die Deckenlampe anzuschalten. Die letzten 3 Schritte bilden somit die zweite Phase, die Evaluation.

Gulf of Execution und Gulf of Evaluation

Norman erklärt anhand dieses Modells, warum HCI häufig zu Problemen führt. Er beschreibt zwei Felder von Problemen, den gulf of execution und den gulf of evaluation. Ersteres meint die Probleme zwischen den vom Benutzer formulierten Handlungsschritten und den durch das System erlaubten, letzteres Probleme, die bei der Evaluation des Systemzustands auftreten. Denn je größer die Differenz zwischen der Präsentation des Systemzustandes und der Erwartung des Nutzers ist, desto größer ist der Aufwand der Interpretation und desto weniger effektiv ist die Interaktion.

Mehr hierzu: Gulf of execution

Kritik

Dieses Modell beschreibt jedoch nur die Seite des Nutzers, das System oder die Maschine wird nur als Schnittstelle (oder Interface) dargestellt. Es erscheint jedoch sinnvoll bei der modellhaften Beschreibung einer Interaktion, also einer wechselseitigen Handlung, auch die andere Seite dieser Interaktion näher zu analysieren. Abwod und Beale erweitern Normans Modell zum „interaction framework“ und stellen somit beide Interaktionspartner gleichwertig dar.

Interaction Framework

Abwod und Beale erweitern Normans Modell zum „interaction framework“ und stellen somit beide Interaktionspartner gleichwertig dar.

Interaction Framework nach Abwod und Beale

Das Interaction Framework von Abwod und Beale (siehe Abbildung) besteht aus vier Elementen: dem Nutzer, dem System und - zwischen ihnen - dem Input und dem Output. In- und Output bilden das Interface, oder auch die Schnittstelle. Wichtig zu beachten ist, dass jedes dieser Elemente eine eigene Sprache besitzt, also auch In- und Output. Das Modell geht daher von vier „Übersetzungsschritten“ im interacitve cycle aus, die als Pfeile dargestellt sind. Auch hier werden Ausführungs- und Evaluierungsphase unterschieden:

Erster Schritt der Ausführungsphase ist die articulation, der Nutzer muss also sein Ziel in der Sprache des Inputs formulieren, da dies die einzige Möglichkeit ist, mit dem System zu kommunizieren. Im zweiten Schritt, der performance, wird der Input vom System in die core language übersetzt und verändert dann seinen Zustand, wie es vom Input vorgegeben wurde.

Jetzt beginnt die Evaluationsphase. Im ersten Schritt, der presentation, wird die erfolgte Veränderung über den Output an den Nutzer kommuniziert, dazu wird die Veränderung in die Output-Sprache übertragen. Zweiter Schritt, der nun wieder auf Seite des Nutzers passiert, ist die observation. Der Nutzer nimmt den Output wahr, interpretiert ihn und vergleicht das Ergebnis mit dem zu Beginn formulierten Ziel.

Bereiche der Interaktion

In diesem Unterkapitel sollen die mit der Interaktion in Zusammenhang stehenden Aspekte der HCI erläutert werden. Diese Grafik der ACM SIGCHI (1992-2008) Curriculum Development Group diente DIX/FINLAY/ABWOD (2004) als Vorlage.

Hier soll folgende Darstellung von DIX/FINLAY/ABWOD (2004) genauer besprochen werden (als Vorlage diente DIX/FINLAY/ABWOD (2004) die Grafik der ACM SIGCHI (1992-2008) Curriculum Development Group):

Framework for HCI.png

Es werden vier relevante Bereiche dargestellt, die bei der Gestaltung interaktiver Systeme berücksichtigt werden müssen, da sie diese erheblich be­einflussen:

1.ergonomische Aspekte

2.Dialogdesign

3.Screendesign

4.Gesamtkontext

Ergonomische Aspekte

Der Seite des Nutzer sind die ergonomischen Aspekte zugeordnet. Sie sind sowohl für den In- und Output als auch für die direkte Umgebung des Nutzers relevant. Hierzu zählen Layout und Anordnung von Schaltflächen und Displays, die physikalische Umgebung der Interaktion, Gesundheitsaspekte, wie beispielsweise Körperposition, Temperatur, Beleuch­tung, Lärm und Zeit. Auch die Farbgebung kann ein wichtiger Aspekt sein, beispielsweise sollten allgemeine und kulturelle Bedeutungen von Farben oder auch Farbblindheit beachtet werden.

Interaktionsformen

Das Dialogdesign richtet sich an den Teil des Inputs der Interaktion, an articulation und performance. Das Screendesign oder auch die Präsentation werden dem Output zuge­ordnet. Inzwischen gibt es an jedem Computer verschiedenste Interaktionsformen. Wie zum Beispiel Kommandozeilen, Menüs, natürliche Sprache, Dialogboxen, Formulare, Point und Click und dreidimensionale Interfaces (vgl. hierzu: DIX/FINLAY/ABWOD (2004)).

Interaktivität (siehe auch Interaktivität)

Der im ersten Moment lapidar anmutende Satz „It is worth remembering that interactivity is the defining feature of an interactive system.“ (DIX/FINLAY/ABWOD, 2004, S. 153), ist bei genauerer Betrachtung eine äußerst wichtige Aussage. Denn sie unterstreicht, dass „allein die Möglichkeit eines Dialoges noch nichts über dessen Qualität aussagt. Entscheidend ist u.a. die Differenziertheit der Eingabenanalyse, die Differenziertheit und Variation der Rückmeldung, das Ausmaß und die Differenziertheit der weiteren möglichen Ver­zweigungen“ (HARMS, 1996). Das bedeutet, dass das reine zur-Verfügung-Stellen mehrerer Interaktionsmöglichkeiten ein System noch nicht interaktiv macht. Das Dialog­design versucht die Interaktivität durch die Auswahl und angemessene Abfolge von Handlungen seitens des Nutzers und den korrespondierenden Veränderungen des Systemzustands zu erreichen (vgl. DIX/FINLAY/ABWOD, 2004, S. 152).

Folgende Definition erweitert den Begriff der Interaktivität um die wichtige Komponente, inwieweit der Nutzer den Dialog bestimmen kann oder das System diesen vorgibt:

„Interaktivität ist die Fähigkeit eines Systems, im Dialog zwischen Mensch und System Interaktionen zuzulassen, d.h. Abfolge, Auswahl und Zeitpunkt der Informationen mehr oder weniger durch Aktionen bzw. Reaktionen des Benutzers bestimmen zu lassen.“ (aus Terminosaurus Rex: http://server02.is.uni-sb.de/trex/index.php?query=Interaktivit%E4t&id=2.2.4.1.&suche=Y)

Inzwischen ist man es als Nutzer gewohnt, meistens die Initiative zu übernehmen und selbst zu bestimmen, wann welche Interaktion stattfindet: „(...) the general philosophy of modern systems suggests that one should minimize the use of pre-emptive elements, allowing the user maximum flexibility“ (DIX/FINLAY/ABWOD, 2004, S. 153). Es gibt jedoch auch Ausnahmen, beispielsweise müssen in vielen Programmen Dialogboxen zunächst bestätigt oder abgebrochen werden, bevor weitere Schritte möglich sind (vgl. DIX/FINLAY/ABWOD, 2004, S. 153).

Interaktionskontext

Die Interaktion findet in einem Gesamtkontext statt, der sie beeinflusst. Beispielsweise die Arbeitsumgebung des Nutzers. „Today it is necessary to add to these studies a wider understanding of the environment in which the user is active and performing tasks. Any good designer or a modern human-computer system should consider carefully the characteristics of the organization in which the tasks are performed. This requires an understanding of the sociology of the user's environment as users do not perform tasks in isolation nor is any task an isolated task. (...) Just as it is unrealistic to assume that all tasks are the same, so is it unrealistic to presume that all users are the same, or that all organizations act in a similar way.” (FAULKNER, 1998, S.2)

Obwohl es meistens so ist, dass die Nutzungsumgebung, genauso wie der Nutzer selbst, nicht verändert werden kann, ist es jedoch wichtig, den Nutzungskontext zu kennen und zu verstehen, um ihn bei der Entwicklung berücksichtigen zu können.

Quellen

  • ACM SIGCHI (1992-2008): Association for Computing Machinery, Special Interest Group on Computer-Human Interaction: Curricula for Human-Computer Interaction. Online abrufbar: http://www.sigchi.org/cdg/index.html (gelesen: 20.04.08)
  • DIX, Alan; FINLAY, Janet; ABWOD, Gregory D.; u.a. (2004): Human-computer interaction. Harlow
  • FAULKNER, Christine (1998): The Essence of Human-Computer Interaction. London
  • HARMS, Ilse (1996): Interaktion. Online abrufbar: http://server02.is.uni-sb.de/projekte/ifp2/mm/interaktiv.html (gelesen: 20.04.08)
  • ZÜHLKE, Detlef (2005): Der intelligente Versager: Das Mensch-Technik-Dilemma. Darmstadt

Verwandte Begriffe

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