Übersetzungswissenschaft
Inhaltsverzeichnis
Übesetzungswissenschaft - Eine Interdisziplin
Die Übersetzungswissenschaft (auch Translatorik oder Translationswissenschaft genannt) ist eine sehr junge akademische Disziplin, die erst in den 60 er Jahren gegründet wurde. Die Ursache für diese späte Gründung (im Vergleich zu anderen klassischen Forschungsrichtungen wie Linguistik oder Literaturwissenschaft) ist, dass Übersetzungswissenschaft ursprünglich eine sprachwissenschaftlich fundierte Disziplin war, also der Linguistik zugeordnet war. Auch heute gilt die Übersetzungswissenschaft nicht als eigenständige Wissenschaft, sondern vielmehr als Interdisziplin, an deren Entwicklung verschiedene Wissenschaften Anteil haben (Literaturwiss., Kognitionswiss., Psychologie, Semiotik, Interkulturelle Kommunikation).
Auch die Informationswissenschaft ist ein "multidisziplinäres" Fach; sie vereint Gegenstände und Methoden aus vielen verschiedenen Gebieten, wie Soziologie, Kommunikationswissenschaft, Informatik, Kybernetik, Sprach- und auch Übersetzungswissenschaft. Die Übersetzungswissenschaft ist demnach eine Nachbardisziplin der Informationswissenschaft.
Definitionen
Übersetzen 1. Computerlinguistik: Das Übersetzen eines größeren gesprochenen oder geschriebenen Sprachkomplexes aus einer natürlichen Sprache (Quellsprache) in eine andere Sprache (Zielsprache) mit Hilfe des Computers. 2. Philologie: Übersetzen ist die Wiedergabe eines Textes in schriftlicher Form in einer anderen Sprache unter Berücksichtigung bestimmter Äquivalenzforderungen. Zu differenzieren sind einerseits die interlinguale Übersetzung (von einer Sprache in die andere) die intersemiotische Übersetzung (von einem Zeichensystem ins andere z.B. Text ins Bild) und die intralinguale Übersetzung (von einer Sprachstufe in die andere z.B. vom Dialekt in die Standardsprache). Weiterhin umfasst der Begriff die unterschiedlichsten Typen von Übersetzung.
Übersetzungswissenschaft
Übersetzungstheorien
literarische Übersetzungstheorie
Psycholinguistisch, kognitive Übersetzungstheorie
Handlungsorientierte Theorie
Grundlagen und Begriffe der Übersetzungswissenschaft
Der Übersetzungsvorgang
„In der Übersetzungswissenschaft wird häufig zwischen Übersetzungsvorgang und Übersetzungsprozess unterschieden. Der Übersetzungsvorgang, umfasst alle Faktoren, Dimensionen und Bedingungen, die für die Herstellung einer Übersetzung eine Rolle spielen. Als Übersetzungsprozess bezeichnet man dagegen, besonders in der psycholinguistischen Übersetzungsforschung (z.B.Krings 1986), den Teil des Übersetzungsvorgangs, der unmittelbar den Übersetzer betrifft und sich im Wesentlichen „in seinem Kopf“(…) abspielt.“ Nord, Christiane (2001), S. 2
Christiane Nord (2001) charakterisiert die Faktoren und Dimensionen des Übersetzungsvorgangs folgendermaßen: Ein Auftraggeber (Initiator) setzt den Übersetzungsvorgang in Gang, indem er sich einen Übersetzer (Translator) wendet, weil er einen Text (Ausgangstext AT) der in einer bestimmten Situation in Ausgangskultur (AK) und in der Ausgangssprache (AS) verfasst wurde, „übersetzt“ haben möchte. Der Auftraggeber muss zudem den Translator den „Zweck“, also die Funktion des Textes mitteilen, damit dieser den Zieltext (ZT) für seine Adressaten in der Zielkultur (ZK) anfertigen kann.
Mudersbach (1985) (In Gerymisch-Arbogast (1994), S.15) fasst allgemein zusammen, dass ein Übersetzungsvorgang genau dann vorliegt, wenn
das Anliegen eines Sprechers/Schreibers an einen Hörer/Leser,
das der Sprecher mit Hilfe des Zeichensystems 1 im Medium 1 formuliert,
verstehbar gemacht wird
für einen Interessenten
unter einem bestimmten Zweck
mithilfe des Zeichensystems 2 im Medium 2
Die Übersetzungsfunktion
Damit der Zieltext (ZT) in der Zielkultur (ZK) seinen kommunikativen Zweck erfüllt, braucht der Text eine Funktion; z.B. Muss eine übersetzte Bedienungsanleitung, oder Packungsbeilage für den ZK-Adressaten auch noch als solche erkennbar sein und als solche „funktionieren“; der Übersetzung muss somit eine instruktive Funktion zugrunde liegen. Im Folgenden soll ein einfaches Modell, mit vier Grundfunktionen der Erläuterung dienen:
Die Übersetzungstypen
Während des Übersetzungsprozesses unterscheidet man verschiedene Typen von Übersetzung. Die Entscheidung für einen bestimmten Typus richtet sich immer nach der Funktion die ein Zieltext erfüllen soll. So bietet sich die Interlinearübersetzung z.B. bei der Erschließung von unbekannten Sprachen oder bei einer Bibelübersetzung an. Die wörtliche Übersetzung ist z.B. für Grammatikübungen im Fremdsprachenunterricht geeignet. Der Übersetzungstyp der philologischen Übersetzung wird vor allem in den Geisteswissenschaften verwendet, beispielsweise zur Erklärung von Sprache und Kultur eines Ausgangstextes. Eine Übersetzung, der man ihren Übersetzungsstatus nicht anmerkt, wird als kommunikative Übersetzung bezeichnet, während der Übersetzer bei einer bearbeitenden Übersetzung den Ausgangstext an die Bedürfnisse der Rezipienten anpasst, z.B. Fachliteratur für Laien.
Quelle: Reiß, Katharina (1999): Grundfragen der Übersetzungswissenschaft: Wiener Vorlesungen. In: Snell-Hornby. Wien. Wuv-Univ.-Verlag
Die Textanalyse
Es wurde bereits erläutert, dass die kommunikative Funktion entscheidend für das Begreifen eines Textes in der Zielkultur ist. Mit der Textanalyse verdeutlicht sich der Übersetzer die Faktoren der kommunikativen Situation, die sich aus textexternen (Pragmatik, Intention, Ort u. Zeit des Textes, Funktion) und textinternen Faktoren (Thematik, Inhalt, nonverbale Elemente, Lexik, Syntax) zusammensetzen. Mit den sog. „W-Fragen“ können die Faktoren der kommunikativen Funktion ausgemacht werden:
(TEXTEXTERNE FAKTOREN)
Wer übermittelt
Wozu
Wem über
Welches Medium
Wo
Wann
Warum einen Text mit
Welcher Funktion?
(TEXTINTERNE FAKTOREN)
Worüber sagt er
Was (nicht)
In welcher Reihenfolge
Unter Einsatz welcher nonverbalen Elemente
In welchen Worten
In was für Sätzen
In welchem Ton
Mit welcher Wirkung?
Quelle: Nord, Christiane (1991a)
Der Übersetzungsprozess
Der Übersetzungsprozess beginnt mit der Interpretation des Übersetzungsauftrages (Ausgangskultur (AK) vs. Zielkultur (ZK)) durch den Übersetzer evtl. unterstützt durch den Auftraggeber. Danach führt der Translator eine Textanalyse durch und untersucht den Ausgangstext (AT) in Bezug auf die darin enthaltenen sprachlichen und funktionalen Merkmale, sowie mögliche Übersetzungsprobleme. Schließlich werden die relevanten AT-Elemente gemäß der Funktion der ZK in die Zielsprache (ZS) transferiert und ein Zieltext (ZT) produziert, der den ZK-vorgaben entspricht und damit funktionsgerecht ist.
Das Zirkelschema bietet sich hier deshalb an, da „jede neue Erkenntnis im Laufe des Analyse und Verstehensprozesses gleichzeitig auch zurückwirkt auf vorherige Erkenntnisse, die dadurch bestätigt oder aber auch korrigiert werden.“ (Nord, Christiane (1991a))
Die Übersetzungsprobleme
Die schwierigste Stelle im Übersetzungsprozess ist die, in der die Theorie in die Praxis umgesetzt werden soll. Hilfreich ist hier eine Übersicht über die häufigsten Übersetzungsprobleme; denn werden diese direkt als solche erkannt, spart sich der Übersetzer Zeit und Ärger. Übersetzungsprobleme bedeuten nicht das Fehlen von notwendigem Wissen wie z.B. Lücken im Wortschatz; sondern Probleme die aufgrund pragmatischer, konventionsbedingter, sprachenpaaar- oder textspezifischer Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielkultur entstehen können.
Pragmatische Übersetzungsprobleme Pragmatische Übersetzungsprobleme ergeben sich aus der Übersetzungssituation. Hierbei wird die Ausgangssituation, in der der Text funktioniert hat, mit der Zielsituation, in der der Zieltext funktionieren soll, verglichen (Gegenüberstellung der textexternen Faktoren).
Konventionsbedingte Übersetzungsprobleme Konventionsbedingte Übersetzungsprobleme entstehen aus dem Unterschied zwischen ausgangs- und zielkulturellen Konventionen. Dies können unterschiedliche Konventionen im Verhalten der Menschen sein, oder Konventionen in Bezug auf Satzbau, Textform etc.
Sprachenpaarbezogene Übersetzungsprobleme Sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme ergeben sich aus den unterschiedlichen Strukturen der Ausgangs- und der Zielsprache; und zwar v.a. in den Bereichen Lexik und Syntax. (Gegenüberstellung der textinternen Faktoren)
Textspezifische Übersetzungsprobleme Textspezifische Übersetzungsprobleme treten vor allem häufig in literarischen Übersetzungen auf. Gemeint sind damit Probleme, die in einem bestimmten Ausgangstext auftreten und nicht ohne weiteres verallgemeinert werden können. Als Beispiel könnte man besondere strukturelle Merkmale eines Textes, oder Wiederholungen und Verknüpfungen von Sätzen und Satzteilen aufzählen.
Hilfs- und Arbeitsmittel
Hilfs- und Arbeitsmittel sind unerlässlich zum Anfertigen einer Übersetzung. Dies können entweder Wörterbücher und Paralleltexte oder technische Hilfsmittel, wie entsprechende Hard- und Software zur Beschleunigung des Übersetzungsvorgangs sein.
Wörterbücher:
-Einsprachige
-Zweisprachige
-Thesauri (Sachgruppen und Wortfelder)
-Sachlexika und Enzyklopedien
Paralleltexte:
Vor allem bei standardisierten Übersetzungen wie zum Beispiel Bedienungsanleitungen, Packungsbeilagen oder Touristenführern bieten sich zur Erleichterung und zur besseren Beachtung von Zielkulturkonventionen Paralleltexte an; also Texte die bis auf den Inhalt, die erforderlichen Standardthesen beinhalten.
Technische Arbeitsmittel:
Durch technische Hilfe kann der Übersetzungsprozess unterstützt und beschleunigt werden. So kann entsprechende Software die Übersetzertätigkeit am Computer vereinfachen, z.B. Rechtschreib- und Korrekturprogramme. Neben der Human Translation (Übersetzung durch den Menschen) bzw. Machine Translation (Maschinelle Übersetzung), gibt es noch Mischformen; die CAT (Computer Aided Translation) und die HAMT (Human Aided Machine Translation). Das heißt, dass entweder entsprechende Übersetzungsprogramme den Menschen unterstützen, bzw. der Mensch die maschinellen Übersetzung überarbeitet. Nähere Informationen dazu unter Maschinelle Übersetzung
Literatur
Koller, Werner: Einführung in die Übersetzungswissenschaft. Wiesbaden 1997
Snell-Hornby: Handbuch Translation. 1995
Nord, Christiane: Textanalyse und Übersetzen.Heidelberg 1991