Münchener Modell

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Wissen managen: Das Münchener Modell

Der Grundgedanke des von Reinmann-Rothmeier und Mandl entwickelten Wissensmanagement-Modells ist das Schaffen einer neuen Lehr- und Lernkultur. Ausgehend von der Vorstellung, dass Wissen einen variablen Zustand zwischen den beiden Extrempolen Information und Handeln darstellt, versucht das Modell eine zielbezogene Bewältigung von Problemen und Situationen zu ermöglichen und damit die zwischen Information und Handeln herrschenden Wissensbewegungen konstruktiv zu gestalten. Dabei werden sowohl technisch, als auch human orientierte Aspekte in Betracht gezogen, um eine allzu einseitige Sicht- und Arbeitweise zu vermeiden. Die wesentlichen Bausteine des Münchener Modells bestehen aus den vier Phänomenbereichen der Wissensrepräsentation, -nutzung, -kommunikation und -generierung. Des Weiteren spielen auch Communities beim Münchener Modell eine bedeutende Rolle und werden daher auch als Keimzelle des Wissensmanagements bezeichnet.

Was ist Wissen? - der Wissensbegriff im Münchener Modell

Da sich für den Begriff Wissen meist nur schwer eine einheitliche Definition festlegen lässt, bietet das Münchener Modell zwei Ansätze bezüglich der Betrachtung von Wissen. Dabei wird Wissen sowohl aus einer objektorientierten, als auch prozessorientierten Sichtweise beleuchtet. Wissen als Objekt nähert sich stark dem Begriff der Information an, was einen eher statischen Charakter zugrunde legt, wohingegen Wissen als Prozess betrachtet meist nur sehr schwer greifbar ist und daher eher einen dynamischen Charakter erhält.

Wissen als Objekt

Objektorientiertes Wissen wird eher als etwas Statisches betrachtet, das zumeist unabhängig von einem bestimmten Kontext ist wie z.B. festgehaltene Enzyklopädieeinträge oder Best-Practice-Berichte. Unter dieser Sichtweise lässt sich Wissen sehr gut als Substantiv charakterisieren ("knowledge") und bezeichnet etwas, auf das man jederzeit Zugriff nehmen kann, da es in irgendeiner Form verfügbar ist (z.B. Bücher, Bild- oder Audiodateien etc.). Hierbei rückt der Wissensbegriff eng an die Information heran und wird daher im Münchener Modell auch als Informationswissen bezeichnet. Im Wesentlichen zeichnet sich Informationswissen dadurch aus, dass es meist im Überfluss vorhanden, kontextunabhängig, reproduzierbar und gut überlieferbar ist.

Wissen als Prozess

Prozessorientiertes Wissen wird eher als etwas Dynamisches gesehen, das sich zumeist nur sehr schwierig festhalten und greifen lässt wie z.B. langjähriges Expertenwissen oder die kollektive Wissensbasis eines Teams bzw. einer Teamarbeit. In diesem Hinblick kann man Wissen sehr gut als Verb betrachten ("knowing"), was den prozesshaften und zugleich flüchtigen Charakter von Wissen beschreibt. Als Solches betrachtet geht das Wissen als Prozess letztlich in Handeln über und wird daher im Münchener Modell auch als Handlungswissen bezeichnet. Im Gegensatz zum objektorientierten Wissen zeichnet sich prozessorientiertes Wissen im Wesentlichen durch Kontext- und Handlungsabhängigkeit, knappes Vorhandensein und schwere Reproduzierbarkeit aus.

Informationswissen und Handlungswissen spannen ein breites Feld auf, das viele Variationen und Zustände von Wissen ermöglicht, da die beiden als zwei extreme Wissenszustände betrachtet werden können. Anhand der im Münchener Modell verwendeten Wasseranalogie lässt sich der Wissensbegriff sehr gut veranschaulichen. Wasser ist die am häufigsten vorkommende chemische Verbindung und bedeckt etwa ¾ der Erde. Aber neben dem flüssigen Zustand existieren auch zwei weitere Aggregatzustände des Wassers, nämlich fest (Eis) und gasförmig (Dampf). Übertragen auf das Wissen kann man sagen, dass sich das Wissen in unserer Gesellschaft ständig in einer Fliessbewegung befindet, wobei es sich dabei sowohl dem festen Zustand als Informationswissen, welches sich gut strukturieren und speichern lässt, als auch dem gasförmigen Zustand in Form von Handlungswissen, das seinerseits wiederum schwer greifbar ist, annähern kann.


Was ist Management? - der Managementbegriff im Münchener Modell

Die meisten Managementsysteme arbeiten weitgehend ohne pädagogisch-psychologische Strukturen und Prozesse miteinzubeziehen. In der Regel steht die Steuerung und Kontrolle von Organisationen nach bestimmten Richtlinien im Vordergrund, wobei der Faktor Mensch dabei oft vernachlässigt wird. Das Münchener Modell versucht daher sowohl die technische, als auch die menschliche Seite der Organisation miteinander zu verbinden, um auf diese Weise einen homogenen Managementansatz zu realisieren.

Das algorithmische Modell - die technische Seite der Organisation

Anhand eines algorithmischen Denkens versucht man einen bestimmten Sollzustand zu erreichen, wobei die Planung, Steuerung und Berechnung von Abläufen im Vordergrund steht. Die technische Seite der Organisation widmet sich weitgehend informationstechnischen Fragen oder Geschäftsmodellen und hat meist einen sehr formalen und starren Charakter. An erster Stelle steht hierbei Management im Sinne der Organisationsführung, wobei der Focus auf der Planbarkeit und Berechenbarkeit von Prozessen und Aktionen liegt.

Das heuristische Modell - die menschliche Seite der Organisation

Das heuristische Modell orientiert sich mehr an den Gesetzen biologischer und ökologischer Systeme, deren Verhalten zumeist nicht vorhersehbar oder planbar ist. Daher folgt das heuristische Modell dem Prinzip der Unsicherheit und Unberechenbarkeit und stellt den Menschen bzw. den Mitarbeiter in den Vordergrund. Der Focus dieses Modells liegt daher auf der Führung der Mitarbeiter und nicht auf Fragen und Probleme, welche technische Systeme betreffen.

Der Managementansatz im Münchener Modell umfasst beide Denkmodelle (technisch und heuristisch) und orientiert sich dabei stärker an pädagogisch-psychologischen Ansätzen, die bisher oft außer Acht gelassen wurden. Daher ist ein integratives Verständnis von Management naheliegend. Das Münchener Modell sieht Management als Gestaltung evolutionsähnlicher Prozesse, als Balanceakt zwischen Moderieren und Kontrollieren, zwischen Metasteuerung und direkter Regelung.


Lernen als Leitidee im Münchener Modell

Die dem Menschen angeborene Lernfähigkeit bzw. seine Bereitschaft sich stetig weiterzuentwickeln ist wohl einer der wichtigsten Ansatzpunkte im Münchner Modell. Ziel ist dabei diese Fähigkeit auszuschöpfen und zu fördern, um somit eine neue Lehr- und Lernkultur zu schaffen. Im Rahmen unterschiedlicher Lernprozesse unterscheidet das Münchener Modell den individuellen und den organisationalen Lernzyklus, welche gleichermaßen notwendig sind, um den Erfolg einer Unternehmung zu garantieren. In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff der Lernenden Organisation stark geprägt.

Der individuelle Lernzyklus

Der individuelle Lernzyklus ist der grundlegende Baustein für das Modell einer Lernenden Organisation, da ohne das Wissen des Einzelnen bzw. dessen Bereitschaft sein Wissen auch mit anderen auszutauschen keine lernende Organisation entstehen kann. In diesem Zusammenhang sind drei Faktoren bezeichnend für den individuellen Lernzyklus:

  • individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten
  • Bewusstsein und Sensibilität
  • persönliche Haltungen und Überzeugungen

Auf diesen Gedanken beruhend sieht das Münchener Modell den Menschen als Ort des Wandels, da allein er dazu fähig ist darüber zu entscheiden, in welchem Maße er sich selbst und sein persönliches Wissen zum Wohle und Nutzen der Gemeinschaft einbringt. Da es sich meist als schwierig erweist einen solchen individuellen Lernzyklus zu aktivieren, bedarf es hier oftmals der Einwirkung und Motivation seitens der Organisation.

Der organisationale Lernzyklus

Analog zu dem Menschen, welcher als Ort des Wandels beschrieben wird, gilt die Organisation als Ort des Handelns. Dabei wird ihr die Aufgabe zuteil den organisationalen Lernzyklus anzukurbeln und zu motivieren, wobei an dieser Stelle auch das Wissensmanagement ansetzt. Doch auch hierzu bedarf es bestimmter Elemente, die dafür notwendig sind, sowohl den individuellen, als auch den organisationalen Lernzyklus in Gang zu setzen.

  • die Leitidee/ die Vision (normatives Element)
  • Konzepte und Methoden zur Umsetzung der Vision (operatives Element)
  • neue Organisationsstrukturen zur Einbettung der Konzepte und Methoden (strategisches Element)

Entscheidend für die Betrachtungsweise im Münchener Modell ist, dass erst wenn beide Lernzyklen miteinander verbunden werden, der Weg zu einer lernenden Organisation geebnet wird. Hierbei ist es die Aufgabe des Wissensmanagements diese beiden Zyklen miteinander zu verbinden und das individuelle bzw. organisationale Lernen zu unterstützen und zu fördern.


Das Herzstück des Münchener Modells – Die vier Phänomenbereiche

Der Kern des Münchener Modells setzt sich aus vier Phänomenbereichen zusammen, welche unterschiedliche Wissensprozesse bündeln und zueinander in Beziehung setzen, wobei entscheidend hierbei die pädagogisch-psychologische Betrachtungsweise dieser Prozesse ist. Dabei sind diese Bereiche so konzipiert, dass sie sowohl individuelle, als auch organisationale Elemente berücksichtigen. Diese vier Phänomenbereiche sind: Wissensrepräsentation, Wissenskommunikation, Wissensnutzung und Wissensgenerierung.

Wissensrepräsentation

Das Ziel der Wissensrepräsentation besteht darin, implizites Wissen transparent, formalisierbar und somit explizit zu machen, damit es mittels des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien abgebildet werden kann, um für andere abrufbar und zugänglich zu sein. Aus pädagogisch-psychologischer Sichtweise betrachtet besteht hier jedoch das Problem, dass erst einmal die Bereitschaft des Einzelnen zur Preisgabe seines Wissens vorhanden sein muss, was aber oftmals mit Angst vor Wertverlust und Austauschbarkeit verbunden ist.

Wissenskommunikation

Das Ziel der Wissenskommunikation besteht darin, Wissen auszutauschen, zu vernetzen und letztendlich in Bewegung zu bringen. Dieser Prozess erweist sich als sehr wichtig, da erst durch den aktiven Austausch von Wissen neues Wissen entstehen kann, welches stetig wächst und sich zunehmend erweitert, um wiederum neue Ideen in Gang zu setzen. Pädagogisch-psychologisch betrachtet ergibt sich ein ähnliches Problem wie in der Wissensrepräsentation, da auch hier ein stabiles Vertrauensklima gegeben sein muss, damit ein offener und ungezwungener Austausch stattfinden kann.

Wissensnutzung

Die Wissensnutzung zielt darauf ab, Wissen konkretisierbar und anwendbar zu machen, damit sich daraus entsprechende Entscheidungen und effizientes Handeln ergeben können. Vorhandenes Wissen produktiv zu nutzen, um kreatives Handeln zu fördern ist der wesentliche Kern dieses Prozesses. Aus pädagogisch-psychologischer Sicht ergeben sich hier ähnliche Probleme wie in den beiden zuvor genannten Prozessbereichen. Hinzu kommt, dass Handlungsspielräume auch als solche erkannt werden müssen, was Sensibilität und das entsprechende Bewusstsein hierfür erfordern.

Wissensgenerierung

Der Prozess der Wissensgenerierung umfasst im Wesentlichen die Verarbeitung reiner Information zu handlungsrelevantem Wissen, um daraus wiederum neues Wissen zu schöpfen, welches als Basis für neue Ideen und Innovationen dient. Daher sieht das Münchener Modell diesen Prozess als Grundlage aller Wissensbewegungen, da erst durch das Schaffen von Wissen dieses auch in Bewegung gebracht und genutzt werden kann. Der pädagogisch-psychologische Aspekt beruft sich dabei auf die natürliche Lernfähigkeit des Menschen, die - gepaart mit Neugier und Wissensdurst - einen wichtigen Motor für die Weiterentwicklung und das Hervorbringen innovativer Ideen darstellt. Auch die bereits in den anderen Prozessen erwähnten Betrachtungen fließen in den Prozess der Wissensgenerierung mit ein.

Wie deutlich wird, sind die vier Phänomenbereiche eng miteinander verbunden, da viele Aspekte und Prozesse einander bedingen und daher zusammenhängend zu betrachten sind.


Die Rolle von Communities im Münchener Modell

Die Idee der Communities ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil des Münchener Modells, sondern erweist sich auch für das Wissensmanagement im Allgemeinen als eine wichtige Komponente. Da Communities als Plattformen für einen aktiven Wissensaustausch dienen können, werden sie im Münchener Modell als „Keimzelle“ des Wissensmanagements bezeichnet. Dies beruht nicht zuletzt darauf, dass sie auch vielfältige Möglichkeiten für die verschiedenen Wissensprozesse eröffnen. Communities können dienen als:

  • Knotenpunkt für Kommunikation und Austausch
  • Foren wechselseitigen Lernens
  • Innovationstreiber
  • Kulturveränderer und Identitätsstifter

Die lose und unabhängige Struktur von Communities, in denen sich Personen mit meist gemeinsamen Interessen und Zielsetzungen zusammenfinden, stellt eine gute Voraussetzung für effizientes Wissensmanagement dar, da sie sowohl ein integratives Verständnis als auch die Betrachtung aus pädagogisch-psychologischer Sicht fördern.


Quellen

Reinmann-Rothmeier, Gabi. (2001). Wissen managen: Das Münchener Modell. (Forschungsbericht Nr. 131). München: LMU, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.

[ http://epub.ub.uni-muenchen.de/archive/00000239/01/FB_131.pdf]