Immaterielle Anreizsystemgestaltung
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In der heutigen wettbewerbsintensiven Marktwirtschaft gilt Wissen als Quelle für den Erfolg und die Entwicklung einer Unternehmung und damit als wertvolle Ressource für Wirtschaft und Gesellschaft. Während in der ehemaligen kapitalorientierten Industriegesellschaft materielle Produktionsfaktoren, wie Kapital, Boden oder Arbeit, im Mittelpunkt strategischer Überlegungen standen, wird der Unternehmenserfolg in der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft durch Information und Wissen bestimmt. Durch dieses neue Wettbewerbsumfeld und die damit einhergehende Bedeutungszunahme des Wissensmanagements steigt in den Unternehmungen der Druck, das Wissen der gesamten Organisation und der Mitarbeiter effizienter zu managen, für die Firma zu erhalten und zu nutzen. Der Mensch als Wissensträger und –vermittler nimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle ein, weil für den Aufbau einer Wissensbasis in der Organisation eine Wissensweitergabe unerlässlich ist. Jedoch behindern in der Praxis zahlreiche personale und kulturelle Faktoren ein erfolgreiches Gelingen, die in erster Linie auf eine mangelnde Bereitschaft der Mitarbeiter zurückzuführen sind. Damit das Wissensmanagement zum Unternehmenserfolg beiträgt, sollen Anreizsysteme eingesetzt werden, die durch individuelle Belohnungen die Mitarbeiter zur Kooperation und Teilnahme an der Wissensverteilung und –nutzung innerhalb der Organisation motivieren sollen. Gleichzeitig soll auch die Leistungsbereitschaft und –abgabe aktiviert und gefördert werden.
Inhaltsverzeichnis
Definitionen
Motiv
Motive (lat. „Beweggrund“ oder „Antrieb“) sind in der handelnden Person liegende Beweggründe menschlichen Verhaltens, die sie zu einer bestimmten Handlung veranlassen. Die Wissenschaft unterscheidet angeborene primäre Motive, die auf physiologischen Vorgängen beruhen und von den Gesetzmäßigkeiten des Körpers abhängen von erworbenen sekundären Motiven, die stärker auf psychologische Prozesse zurückgehen. Man geht davon aus, dass die menschlichen Antriebsgründe zwischen der Wahrnehmung eines Mangelzustandes und dem Gefühl der Sättigung (Befriedigung) hin und her schwanken. Jeder Mensch besitzt eine individuelle Bedürfnisstruktur mit für ihn charakteristischen Motiven. Damit diese zu einem bestimmten Verhalten führen, müssen sie durch Merkmale der Situation, d.h. Anreize aus der Umwelt, angeregt werden.
Anreiz
Unter diesem Begriff versteht man „verhaltensbeeinflussende Reize, die inner- oder außerhalb einer Person liegen können“ (Semar, 2004). Diese werden in Anreizsystemen zusammengefasst. Im Kontext der Unternehmung stellen Anreize als Bindeglied zwischen Motiv und Motivation situative Bedingungen dar, welche die Mitarbeiter aufgrund deren subjektiven Empfindens und individueller Bedürfnisstruktur zur Ausführung eines bestimmten Leistungsverhalten motivieren. Allerdings können sie nur dann verhaltenssteuernde Wirkung entfalten, wenn sie in der Lage sind individuen-spezifische Motive anzuregen und zu befriedigen. „Solche Leistungsanreize müssen einerseits so beschaffen sein, dass sie die Motive der Mitarbeiter zu aktivieren, bzw. ihre Bedürfnisse zu befriedigen vermögen. Andernfalls bleiben sie unwirksam.“ (Schanz, S.13) Als betrieblicher Anreiz kann alles dienen, was zur Erfüllung von Bedürfnissen beiträgt oder die Motive der Menschen unterstützt.
Motivation
Anreizsystem
Wertewandel
Die heutige Zeit ist durch einen Wertewandel gekennzeichnet, der sich in einem sozialen und kulturellen Umbruch äußert und sowohl die Erwartungshaltungen als auch die Einstellungen und Orientierungsmuster der Menschen prägt. Durch die Säkularisierung aller Lebensbereiche, erhöhtes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein, sowie die Betonung der eigenen Selbstentfaltung und des Lebensgenusses haben sich die Wertvorstellungen der Menschen und ihre Ansprüche an die berufliche Arbeit verändert: Während früher materielle Gesichtspunkte dominierten, steigt heute zunehmend die Bedeutung immaterieller Aspekte. Besonders bei den jüngeren Bevölkerungsschichten ist ein Rückgang älterer tradierter Pflicht- und Akzeptanzwerte, wie Disziplin oder Unterordnung, zu verzeichnen, bei gleichzeitigem Anstieg postmaterieller Werthaltungen, wie Selbständigkeit. In Folge des gesellschaftlichen Wertewandels hat sich ebenfalls die Bedeutung der Arbeit verändert. Früher besaß die berufliche Tätigkeit im Lebensplan für die Mehrheit der Bevölkerung einen hohen Stellenwert und stand im Mittelpunkt ihres Daseins. Heutzutage wird der Beruf weniger als Pflicht gesehen und die Freizeit höher bewertet. Als Gründe für diese Entwicklung werden die rasche Zunahme des Wohlstandes, die zunehmende Technologisierung, wachsende Marktdynamik, sowie das immer kürzere Verweilen in einem Berufsfeld angeführt. Diese Entwicklung hat Rückwirkungen auf die berufliche Arbeit und die Motivation der Mitarbeiter zu engagiertem Arbeitsverhalten. War es früher eine vielversprechende Methode höhere Leistung vor allem durch die Wahl von materiellen Anreizen zu begünstigen, sind heute immaterielle Elemente zielführend. Somit rückt die Auseinandersetzung mit den individuellen Zielen der Mitarbeiter immer mehr in den Vordergrund. Im Allgemeinen führte der gesellschaftliche Wandel dazu, dass auf der individuellen Ebene Bedürfnisse bzw. Motive verhaltensrelevant wurden, die in der Arbeitswelt vormals keine Rolle gespielt haben. Finanzielle Anreize bleiben zwar zur Sicherung des Lebensunterhaltes unerlässlich, haben aber Konkurrenz erhalten. Dieser strukturelle Wandel hat veränderte Formen der Transaktion in und zwischen Unternehmen, sowie ein neues Rollenverständnis von Führungskräften und Mitarbeitern zur Folge.
Immaterielle Anreize
Durch den Wertewandel der vergangenen Jahre haben immaterielle Werte am Arbeitsplatz an Bedeutung gewonnen. Die einzelnen Anreize sind oft einzigartig und situationsgeprägt, d.h. sie werden von Individuen unterschiedlich wahrgenommen und können je nach Situation variieren. Im Rahmen des Wissensmanagements sind für die Unternehmen vor allem die Anreize interessant, welche die Mitarbeitermotivation im Sinne der „Wissensweitergabe und -nutzung“ fördern.
Man unterscheidet dabei soziale und organisatorische Anreize.
Soziale Anreize
- Partizipation
- Soziale Beziehungen
- Anerkennung und Statussymbole
- Führungsstil und Mitarbeiterführung
- Information und Kommunikation
Organisatorische Anreize
- Arbeitszeitsystem
- Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten
- Wissensnetzwerke
- Personalentwicklungsmaßnahmen
- Aus- und Weiterbildung
- Patenkonzepte
- Handlungs- und Entscheidungsfreiräume
- Spielerische Anreize
Intrinsische Anreize
Im Bereich des Wissensmanagement werden diese Anforderungen durch Maßnahmen des Personaleinsatzes aufgegriffen, die die Einsatzmöglichkeiten des Mitarbeiters erweitern und die Monotonie der Tätigkeit verringern sollen. Dazu gehören Job-Rotation, Job-Enlargement und Job-Enrichment.
Fazit
Durch den Wertewandel und die wachsende Bedeutung der höher geordneten Bedürfnisse wird die Gestaltung von Anreizsystemen komplizierter. Organisationen, die sich dieser Herausforderung nicht stellen, haben Schwierigkeiten geeignete Mitarbeiter zu gewinnen, längerfristig zu binden und können nur einen Teil ihrer Potentiale nutzen. Das betriebliche Anreizsystem mit seiner Vielzahl an materiellen und immateriellen Elementen stellt das bedeutendste Mittel zur Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens dar. Mit seiner Hilfe soll die Bereitschaft der Beschäftigten zur Teilnahme am Wissensmanagement angeregt werden. Obwohl betriebliche Anreizsysteme ein wichtiges Führungsinstrument darstellen, ist ihr Einsatz nicht problemlos: Um Anreize zur Steuerung des Leistungsverhaltens einzusetzen, müssen diese individuenspezifische Motive aktivieren. Dazu bedarf es jedoch der Kenntnis über die Bedürfnisstrukturen einzelner Mitarbeiter, was in der Praxis jedoch sehr schwierig ist, da Menschen eigene Bedürfnisse oft nicht benennen können. Insbesondere fehlen hierbei häufig ein klares Engagement der Unternehmensleitung und ein einfühlsames, gerechtes Vorgehen der Personalverantwortlichen. Des Weiteren wird bei der Gestaltung der Anreizsysteme die Forderung nach Transparenz, Flexibilität, Zielorientierung und Gerechtigkeit häufig nicht oder nur bedingt erfüllt. Im Rahmen des Wissensmanagement setzen Unternehmen, die bereits ein wissensspezifisches Anreizsystem besitzen, zur Gestaltung und Lenkung der Wissensbasis tendenziell mehr materielle Anreize zur Motivation der Mitarbeiter ein, die nach wie vor ein wichtiges Motivationsinstrument sind. Viele Autoren gehen jedoch davon aus, dass materielle Anreize einer Sättigungskurve unterliegen und mit zunehmenden Einkommenshöhe der Wunsch nach zusätzlichen Verdienst vermindert wird. So kann ein hoher Geldanreiz zwar Unzufriedenheit vermindern, die Motivationswirkung ist jedoch nur vorübergehend. Aufgrund motivationstheoretischer Erkenntnisse müssen beide Motivationsarten eingesetzt werden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Ein effizientes Anreizsystem muss neben der Gewährleistung eines gewissen Lebensstandards (Entgelt) auch den Wunsch der Arbeitspersonen nach Selbstverwirklichung, Vereinbarkeit der Arbeitstätigkeit mit familiären Belangen oder Anerkennung berücksichtigen. Aussicht auf Erfolg besteht folglich dann, wenn die Mitarbeiter ihre Wichtigkeit für eine bessere Nutzung der Wissensressourcen erkennen und akzeptieren. Da die Leistungsmotivation der Mitarbeiter den Unternehmenserfolg in Zukunft immer stärker bestimmt, muss die Unternehmensleitung in die aktive und systematische Gestaltung der Anreizsysteme mehr Zeit und Engagement investieren, als es bislang in den meisten Unternehmen geschieht. Die Entwicklung einer zeitgemäßen, mitarbeiterorientierten und zugleich wissensbejahenden Unternehmenskultur wird in Zukunft wohl die größte Herausforderung für die Unternehmensleitung sein, da es hier nie eine Standardstrategie geben wird.
Literatur
- Brandenberg, Arndt: Anreizsysteme zur Unternehmenssteuerung. Gestaltungsoptionen, motivationstheoretische Herausforderungen und Lösungsansätze. Wiesbaden, 2001.
- Fein, Erhard; Pini-Karadjuleski, Marianne: Betriebliche Kommunikation. Troisdorf, 2002.
- Frischmuth, Norman: Anreizsysteme für den innerbetrieblichen Wissensmarkt. Organisatorische und technologische Möglichkeiten. Marburg, 2002.
- Nerdinger, Friedemann: Motivation von Mitarbeitern. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, 2003.
- Rosenstiel, Lutz von: Motivation im Betrieb. Mit Fallstudien aus der Praxis. Leonberg, 1996.
- Rosenstiel, Lutz von; Einsiedler, Herbert; Streich, Richard; Rau, Sabine: Motivation durch Mitwirkung. Stuttgart, 1987.
- Rosenstiel, Lutz von; Regnet Erika; Domsch Michel: Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. Stuttgart, 1993.
- Schanz, Günther: Handbuch Anreizsysteme in Wirtschaft und Verwaltung. Stuttgart, 1991.
- Sprenger, Reinhard: Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse. Frankfurt/Main; New York, 1997.
- Zaunmüller, Hannah: Anreizsysteme für das Wissensmanagement in KMU. Wiesbaden, 2005.
Weblinks
- Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen: Anreizsysteme im Unternehmen. Aachen, 2005/06. Online unter: http://www.iaw.rwth-aachen.de/download/lehre/vorlesungen/2005-ws-aw3/aw3_09_ws2005.pdf (letzter Zugriff: 12.12.2006)
- North, K., Varlese, N. : Motivieren für die Wissensteilung und die Wissensentwicklung. Online unter: http://www.wissensmanagement.net/online/archiv/2001/02_0301/wissensmanagement_anreize.html, letzter Zugriff am 12.12.06).
- Przygodda, Iris: Immaterielle Anreizsysteme im Wissensmanagement. Essen/Münster, 2004. Online unter: http://www.pim.uni-essen.de/fileadmin/Publikationen/motiwidi_projektbericht_10.pdf. (letzter Zugriff: 12.12.2006)
- Semar, Wolfgang: Entwicklung eines Anreizsystems zur Unterstützung kollaborativ verteilter Formen der Aneignung und Produktion von Wissen in der Ausbildung. Konstanz, 2004. Online unter: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/WS/gmw04-semar-cc.pdf (letzter Zugriff: 12.12.2007)
- Wenger, Barbara Susanne: Anreize und Anreizsysteme für ein Wissensmanagement. Theoretische Grundlagen und Gestaltungsempfehlungen. Hettiswil, 2003. Online unter: http://www.iop.unibe.ch/lehre/lizentiatsarbeiten/Liz-Wenger-Barbare.pdf (letzter Zugriff: 12.12.2006)