Multimediapsychologie: Unterschied zwischen den Versionen
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präsentiert werden, die anwendergesteuert interaktiv genutzt werden können.“ | präsentiert werden, die anwendergesteuert interaktiv genutzt werden können.“ |
Version vom 14. Februar 2005, 16:29 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Begriffserklärung
a) Multimedia
Der Begriff „Multimedia“ hat eine umfassendere Bedeutung als etwa nur „viele Medien“. Er zeichnet sich besonders durch drei Eigenschaften aus, welche von Vath, Hasselhorn und Lüer im Jahr 2001 in Form der folgenden Definition zusammengefasst wurde:
„Multimedia ist dadurch gekennzeichnet, dass in einem System Informationen
• multimedial […]
• multikodal […] und
• multimodal […]
präsentiert werden, die anwendergesteuert interaktiv genutzt werden können.“ (vgl. Vath, Hasselhorn, Lüer, 2001).
Zur Erläuterung der zentralen Begriffe:
Multimedial präsentierte Information wird gleichzeitig über verschiedene digitalisierte Medien dargeboten. Multikodalität bezeichnet die Darstellung von Information über verschiedene Symbolsysteme (Text, Tabelle, Graphik,…). Informationen werden multimodal präsentiert, wenn sie verschiedene Sinnesmodalitäten ansprechen (bspw. audio-visuell). Ein anwendergesteuert interaktiv nutzbares System sorgt für größere Subjektivität und Individualität bei der Informationsrezeption.
b) Multimediapsychologie
Multimedia hat also Auswirkungen auf die Art und Weise wie Informationen verarbeitet werden. Eine mögliche Beschreibung besagt:
„Multimediapsychologie hat mit Verstehen, Lernen und Wissenserwerb in Verbindung mit Multimedia bzw. mit einem einzelnen neuen Medium […] zu tun […].“ (vgl. Luckhardt).
Man kann nun aus diesen Begriffserklärungen auf ein vorrangiges multimediapsychologische Forschung schließen:
Die Multimediapsychologie erforscht Gestaltungsprinzipien (multi-)medialer Systeme zur effektiven Informationsaufnahme, -verarbeitung, und -speicherung.
Die sensorische Wahrnehmung
Bevor hier genauer auf spezielle multimediapsychologische Aspekte eingegangen wird, sollen zunächst einige grundlegende Vorgänge der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung betrachtet werden.
Die sensorische Wahrnehmung bezeichnet das reine Erfassen von Umwelteindrücken über die Sinnesorgane.
Visuelle Wahrnehmung wird häufig mit den Vorgängen einer Kamera verglichen. Licht eines Gegenstands gelangt durch Pupille und Linse zur Netzhaut, wo ein um 180° verdrehtes Bild auf der Netzhaut abgebildet wird. Dieser Reiz wird über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet, welches das Bild in seine ursprüngliche Position rückt.
Ähnlich ist es bei der auditiven Wahrnehmung, bei der Schwingungen über verschiedene Gehörknöchelchen zum Hörnerv und dann zum Gehirn gelangen.
Das Entscheidende für eine weitere Informationsverarbeitung geschieht unmittelbar nach dieser rein sensorischen Wahrnehmung. Es bleibt nicht bei einer Wahrnehmung einfacher Eindrücke, sondern es kommt zu einer psychologischen Weiterverarbeitung:
Das Gehirn führt eine Interpretation des Wahrgenommenen durch. Man hört also nicht nur ein Geräusch auf der Straße, sondern weiß, dass es sich um ein Fahrzeug handelt. Man sieht nicht ein zweidimensionales Geflecht von Linien, sondern weiß, dass es sich um die dreidimensionale Zeichnung eines Würfels handelt.
Diese Interpretationen werden also von unserem Vorwissen bestimmt und führen zu kulturell bedingten Schemata in der sensorischen Wahrnehmung (vgl. Hasebrook, 1995).
Wie wird nun entschieden, welche Eindrücke mehr oder weniger weiterverarbeitet und dauerhaft gespeichert werden?
Durch das Vorwissen erkennt man die Bedeutung eines Umwelteindrucks. Wenn dieser Umwelteindruck nun für mich besondere Relevanz hat, wird dieser Eindruck zu potentieller Information. Falls diese Information auch weiterhin als wichtig erachtet wird, so kommt es zu einer dauerhaften Speicherung (vgl. Anderson, 1996).
Wie diese einzelnen Vorgänge in der Informationsspeicherung beschrieben werden, soll im nächsten Abschnitt anhand zweier Gedächtnismodelle erläutert werden.
Gedächtnismodelle
a) Das drei-Speicher-Modell (1968)
Ein richtungweisender Theorierahmen zur Informationsspeicherung wurde von Atkinson und Shiffrin entwickelt.
Sie unterteilen das Gehirn in drei Speicher:
• das sensorische Gedächtnis
Diese Instanz stellt die sensorische Wahrnehmung dar. Was einer Person auffällt wird zuerst ins sensorische Gedächtnis geleitet. Es hat eine sehr geringe Speicherkapazität und eine geringe Speicherdauer. Eindrücke, die nicht als relevant erachtet werden, werden wieder gelöscht oder durch neue Eindrücke überschrieben.
• das Kurzzeitgedächtnis (KZG)
Umwelteindrücke, die als potentielle Information identifiziert wurden, werden zum KZG geleitet, welches sich ebenfalls durch eine kurze Speicherdauer und eine geringe Kapazität auszeichnet. Das KZG soll eine Kapazität von etwa 7 +/- 2 Informationseinheiten besitzen. Hier wird Information aktiv gehalten und bei weiterer Relevanz an die nächste Instanz weitergeleitet. Nicht mehr benötigte Information wird wiederum gelöscht oder überschrieben.
• das Langzeitgedächtnis (LZG)
In diesem Speicher wird Information nun dauerhaft gespeichert. Man spricht bei diesem Vorgang von Elaboration, also der Verankerung neuer Information im kognitiven System. Dies geschieht, indem das neu erworbene Wissen mit dem bereits bestehenden Wissen verknüpft wird. Dem Umwelteindruck wird also durch diese Verknüpfung eine dauerhafte subjektive Bedeutung gegeben, wodurch eine langfristige Speicherung gewährleistet wird.
b) Das Arbeitsspeichermodell (1974)
Eine verfeinerte Weiterentwicklung dieses Modells findet sich bei Baddeley und Hitch, welche die Aktivitäten bei der Speicherung von Informationen auf folgende Elemente verteilen:
• visuell-räumlicher Speicher
Hierbei handelt es sich um einen Kurzzeitspeicher der speziell Informationen aktiv hält, die visuell-räumliche Aktivitäten beanspruchen.
• sprachlich-akustischer Speicher
Analog zum oben genannten Speicher wird hier nun sprachlich-akustisch verarbeitete Information aktiv gehalten.
• zentrale Aufmerksamkeitskontrolle
Diese Instanz entscheidet nun, welche Information in einen entsprechenden Langzeitspeicher überführt oder elaboriert wird. Dies geschieht indem Aufmerksamkeit oder Relevanz auf eine bestimmte Informationseinheit gelenkt wird. Wahrnehmungen, die diesen Vorgang nicht erfahren, fliegen aus den Kurzzeitspeichern raus.
Die entscheidende Neuerung besteht also aus zwei getrennten Kurzzeitspeichern, einen für räumlich-visuelle und einen für sprachlich-akustische Information. Zu dieser Erkenntnis gelangten Baddeley und Hitch, indem sie Versuchspersonen parallel jeweils eine Aufgabe stellten die den einen und eine Aufgabe, die den anderen Speicher beanspruchte. Man stellte fest, dass es dadurch zu Interferenzen zwischen den beiden Aufgaben kam, die Versuchspersonen konnten sich also nicht auf beide Aufgaben gleichzeitig konzentrieren. Daraus schloss man auf einen getrennten Kurzzeitspeicher.
Man kann durch diese beiden Modelle nun also einige zentrale Vorgänge in der Informationsverarbeitung und -speicherung festhalten:
• Eine sensorische Wahrnehmung wird durch Aufmerksamkeit, in Form von subjektiver Relevanz zu potentieller Information.
• Diese Information wird in zwei getrennten Kurzzeitspeichern aufrechterhalten (räumlich-visuell / sprachlich-akustisch).
• Durch die Verknüpfung mit der bestehenden kognitiven Struktur wird die Information dauerhaft gespeichert und somit enkodiert.
Die Speicherung von Informationen führt zum Aufbau eines Wissensnetzwerkes, bei dem die einzelnen Informationen miteinander verknüpft sind. Zu der Frage, wie diese Informationen miteinander verbunden sind gibt es mehrere Antworten. So eschreibt eine Theorie die Möglichkeit einer hierarchischen Struktur des Wissens, also in Form von Oberbegriffen und immer spezifischer werdenden Unterbegriffen (Bsp.: Tier – Säuger – domestiziert – Hund – Dackel).
Das Modell der doppelten Enkodierung nach Paivio
Hier soll nun ein richtungweisendes multimediapsychologisches Modell vorgestellt werden, welches in seiner ursprünglichen Form stark kritisiert wurde, dessen Hauptaussage jedoch immer noch anerkannt ist. Es handelt sich um sie 1971 entwickelte Theorie von Paivio der dualen Enkodierung, welche folgendes besagt:
Es gibt zwei getrennte Gedächtnissysteme; eines für textbasierte und eines für bildbasierte Inhalte.
Zu dieser Theorie kam Paivio über durch die Überlegung, dass Bilder nicht wie ein Text gelesen werden kann. Ein Text wird Wort für Wort, Zeile für Zeile, praktisch „von links oben nach rechts unten“ gelesen. Dadurch entsteht eine propositionale Textrepräsentation im Gehirn.
Im Gegensatz dazu werden Bilder eher als Ganzes betrachtet und dementsprechend analog im Gehirn repräsentiert.
Daraus schließt Paivio, dass es zwei getrennte Langzeitspeicher geben muss:
• einen für sprachlich-sequentielle Information und
• einen für bildlich-analoge Information.
Zur Verdeutlichung hier nun ein Beispiel:
Ein Mensch liest das Wort „Hund“. Folgende Prozesse laufen nun nach Paivio ab:
• der Wortgehalt, also die Buchstabenfolge, die „Hund“ ergibt, wird sequentiell-analog enkodiert, und zwar in Form von Logogenen
• gleichzeitig wird ein dazugehöriges Bild enkodiert, in diesem Fall also das (für diese Person typische) Bild eines Hundes, welches in Form von Imagenen verarbeitet wird
• Falls diese Person das Bild eines Hundes sieht, wird ebenfalls eine dazugehörige Wortbedeutung enkodiert. Also der gleiche Vorgang in umgekehrter Reihenfolge.
Ausnahme:
Das dargebotene Wort ist derart abstrakt, dass kein Bildsymbol gefunden wird (Bsp.: „Kognition“).
Das dargebotene Bild lässt auf keine eindeutige Wortbedeutung schließen.
Paivio konnte in Experimenten nachweisen, dass sich Versuchspersonen, die zu einem dargebotenen Wort ebenfalls bewusst ein entsprechendes Bild enkodiert haben, nach einer gewissen Zeit besser, also schneller an das Wort erinnern konnten. Diesen Effekt nannte es den Bildüberlegenheitseffekt.
Aber wie kommt es zu dieser verbesserten Erinnerungsleistung?
Nach Paivio besitzt ein Mensch also ein verbales System, in dem räumlich-sequentielle Informationen verarbeitet und gespeichert werden und ein nicht-verbales System, welches für bildlich-analoge Informationen zuständig ist. Paivio nennt die Informationseinheiten Logogene (verbal) und Imagene (nicht-verbal). Zum Bildüberlegenheitseffekt kommt es nun dadurch, dass semantisch verwandte Informationen aus den beiden Systemen (im oben genannten Beispiel: das Wort „Hund“ und das dazugehörige Bild) durch eine Interlingua mittels Querverbindungen verknüpft werden und somit praktisch eine größere Gedächtniskapazität zur Verfügung steht und genutzt wird.
An diesen letzten Darstellungen werden auch recht schnell die Hauptkritikpunkte ersichtlich:
• Teile des Modells sind zu abstrakt, als dass sie empirisch belegt werden könnten und sind somit nur reine Überlegungen.
• Dies bezieht sich besonders auf Paivios Idee, auf welche Art und Weise die zuvor doppelt enkodierte Information wieder verbunden wird. Was ist die Interlingua? Wie entstehen die Querverbindungen? Warum werden Informationen zuerst aufgesplittet und dann wieder zusammengeführt? Diese Punkte können durch Paivios Theorie nicht geklärt werden.
Über die kritisierten Aspekt und deren bessere Erklärung herrscht auch heute noch eine allgemeine Unklarheit. Es gibt dennoch einige alternative Lösungsansätze. So hat Hasebrook die Theorie des Sequenzeffekts beschrieben, um nur ein Beispiel für einen Alternativvorschlag zu nennen.
Aus diesem Dilemma flüchteten sich viele Wissenschaftler in eine andere Notlösung, die ebenfalls einen abstrakten Charakter aufweist, jedoch auch heute noch anerkannt ist. Diese Theorie der mentalen Modelle soll im folgenden Abschnitt näher beschrieben werden.
Mentale Modelle
In dieser Theorie sollen nun zwei Aspekte, über die Unsicherheit herrscht geklärt werden. Zum einen sollte geklärt werden, wie sprachlich-sequentielle und räumlich-analoge Information miteinander verbunden werden. Des Weiteren sollte diese theoretische Vorstellung die bisher noch nicht genauer betrachtete Frage klären, warum beim Verstehensprozess nicht nur die aktuell dargebotene Information genutzt wird, sondern darüber hinaus zusätzliche Information erschlossen wird.
In einer Definition von Hasebrook werden mentale Modelle folgendermaßen beschrieben: