Kompensation technologieinduzierter Defizite: Unterschied zwischen den Versionen

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==Kompensationsmaßnahmen==
 
==Kompensationsmaßnahmen==
 
Die veränderten Umstände bei der Interaktion in modernen Medienkanälen bedingen ein verändertes Kommunikationsverhalten. Folgend rücken einige Kompensationsmaßnahmen der Nutzer ins Blickfeld, um Restriktionen kanalreduzierter Kommunikation auszugleichen.
 
Die veränderten Umstände bei der Interaktion in modernen Medienkanälen bedingen ein verändertes Kommunikationsverhalten. Folgend rücken einige Kompensationsmaßnahmen der Nutzer ins Blickfeld, um Restriktionen kanalreduzierter Kommunikation auszugleichen.
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===Soziale Informationsverarbeitung===
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„[A]us Sicht der Theorie der sozialen Informationsverarbeitung [ist] das Internet ein neuer sozialer Handlungsraum, in dem Menschen auf kreative Weise Gefühle ausdrücken, Beziehungen realisieren und soziale Fertigkeiten erlernen, ohne dass dabei automatisch Kommunikationsstörungen und Beziehungsverarmung resultieren müssen.“ (Döring 2003, S. 163) Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung geht davon aus, dass die aufgeführten Defizite verbalisiert und somit kompensiert werden können. Die nonverbalen Informationen z.B. Emotionalität, psychologische Nähe, Gestik und Mimik können durch andere Weise – durch Textzeichen – ausgedrückt.  Die Mediennutzer entwickeln neue soziale Fertigkeiten bei der Textproduktion und –interpretation, um eine befriedigende Kommunikation zu realisieren. Es muss folglich nicht zur medienbedingten Verarmung der Kommunikation kommen.
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Die Kommunikationspartner konzentrieren sich demgemäß nicht auf die fehlenden, sondern auf die medial verfügbaren sozialen Hinweise, erleben auf dieser Basis verschiedene Grade psychologischer Distanz zum Gegenüber und reagieren auf dieses Erleben, wodurch sie sich unterschiedlich verhalten und daran anpassen. In diesem Sinne werden mediale Einschränkungen kompensiert. Indem die Bedeutung des medialen Kommunikationsverhaltens auf Defizit-Kompensation zugespitzt wird, übt das Modell der sozialen Informationsverarbeitung nur „schwache Kritik“ am Kanalreduktionsmodell.
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So können nonverbale Eindrücke durch Emoticons, Sound- und Aktionswörter  unterstützt werden. Der geschickte Einsatz ermöglicht, dass tatsächlich Gefühle kommuniziert, sinnliche Eindrücke erzeugt werden.
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Die folgende Tabelle 1 (nach Weinreich, 1997, S.15) bietet einen Überblick über die Kompensationsmöglichkeiten an.
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Version vom 20. April 2007, 16:56 Uhr

Einleitung

Bevor die Kanalreduktions-Probleme und deren Kompensationsmaßnahmen behandelt werden, lässt sich zunächst der Begriff computervermittelte Kommunikation erklären. Pelz (1995) sieht die computervermittelte Kommunikation als einen Oberbegriff für unterschiedliche Anwendungsformen der elektronischen Übermittlung, Speicherung und des Abrufs von elektronischen Nachrichten durch Menschen über miteinander vernetzte Computer. Dabei fungieren die Computer als Kommunikationsmedien. Die Benutzer senden Nachrichten beispielsweise in Form einer E-Mail oder eines Newsgroup-Beitrags an ein Netzwerk mit verschiedenartigen Diensten (Internet, Intranet, Extranet). Abhängig vom Dienst sind die Nachrichten dann entweder für ein mehr oder weniger großes Publikum verfügbar, oder sie werden nur an einen bestimmten Empfänger bzw. an eine Gruppe von Empfänger weitergeleitet.

Mittlerweile wird die computervermittelte Kommunikation in sozialpsychologischer Perspektive geforscht. Dabei lassen sich jene Aspekte der Internet-Nutzung und –Wirkung an der Schnittstelle von Psychologie und Soziologie in den Blick nehmen, die auf der Ebene des individuellen Erlebens und Verhaltens im sozialen Kontext angesiedelt sind. Diese Kanalreduktion bezieht sich auf ein spezifisches Medienmerkmal von computervermittelter Kommunikation, das den Kommunikationsprozess maßgebend beeinflusst. Durch Wegfall der Kanäle wird diese Kommunikationsform im Vergleich mit der direkten Kommunikation, Face-to-Face-Kommunikation als defizitär und emotionslos angesehen.

Computervermittelte Kommunikation versus Face-to-Face-Kommunikation

Als natürliche Grundform zwischenmenschlicher Kommunikation gilt die Face-to-Face-Kommunikation bzw. die Body-to-Body-Kommunikation. Dabei kommen die Kommunikationspartner zur gleichen Zeit am gleichen Ort zusammen und tauschen verbale, paraverbale sowie nonverbale Botschaften aus. Potenziell sind bei der Face-to-Face-Situation alle Sinnesmodalitäten involviert: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Im Gegensatz dazu läuft die computervermittelte Kommunikation in erster Linie textbasiert ab: Man tippt auf der Computertastatur und liest vom Computermonitor ab. Dabei lassen sich Bilder und Töne auch als Ergänzungsmittel einsetzen. Nicht-textbasiert wie etwa Internet-Telefonie und Internet-Videokonferenz verbindet einen persönlichen Kontakt zwar am Nahesten, aber sie finden nur geringe Verbreitung. Außerdem bezieht sich das Konzept der computervermittelten Kommunikation vor allem auf textbasierte Online-Kommunikation. Demzufolge werden hier die gerade genannten Telekommunikationen Internet-Telefonie und Internet-Video-Konferenz nur bedingt miteingeschlossen.

Kanalreduktionsmodell

Lassen sich die computervermittelte Kommunikation und Face-to-Face-Kommunikation vergleichen, ist der große Unterschied die Kanalreduktion bei der computervermittelten Kommunikation. Die beiden Kommunikationen werden durch die Anzahl der Kanäle bewertet, die den Kommunizierenden zugänglich sind. Als Standard gilt die Face-to-Face-Situation, wobei alle Kanäle vorhanden sind. Demgegenüber sind bei der computervermittelten Kommunikation zahlreiche Sinneskanäle weggefallen. Die paraverbalen, nonverbalen sowie die über den „reinen“ Gesprächsinhalt hinausgehenden Sinneseindrücke sind alle ausgeschlossen z.B. Gestik, Mimik, Tonfall, Geruch, Geschmack, Berührung usw. Deswegen betrachtet man die computervermittelte Kommunikation im Vergleich zur Face-to-Face-Kommunikation als mangelhaft und unpersönlich.

Schon im Jahre 1977 haben Turoff und Hiltz beschrieben, wie defizitär die computervermittelte Kommunikation ist. „The most obvious are the need for typewriting and the lack of eye contact, facial expressions, gestures, and verbal intonations that lend so much richness to face-to-face and even telephone conversations.“ (Turoff & Hiltz 1977, S.60) Das begründet sich darauf, dass die computervermittelte Kommunikation meist textbasiert geschieht und daher verschiedene Kanäle gar nicht oder nur schwach übertragen werden. Deswegen führt die Kanalreduktion zu einer Verarmung der Kommunikation und zu einer Reduktion der gemeinsamen Handlungsmöglichkeiten der Kommunikationspartner. Ent-Sinnlichung, Ent-Emotionalisierung, Ent-Kontextualiserung oder sogar Ent-Menschlichung (Bleuel, 1984; Eurich, 1983; Kubicek & Rolf 1986, S.263ff.; Mettler-von Meibom 1994, S. 18f.; Volpert 1985, S. 94) sind Stichwörter, die den defizitären Charakter der textbasierten computervermittelten Kommunikation kennzeichnen. Da diese Art der Verständigung zusätzlich asynchron ablaufen kann und auch geografische Distanzen überwindet, lässt sich die Aspekte Ent-Räumlichung und Ent-Zeitlichung ergänzen (Herrmann, 1994). Diese Entleerung der Kommunikation wird unter dem Begriff Ent-Wirklichung (Raulet, 1992) umfassend beschrieben.

Wenn das Kanalreduktionsmodell kritisiert wird, unterscheidet Döring die Kritik in schwacher und in starker Weise. Bei der schwachen Kritik ist erstens so, dass die Gefahren, die dabei vermeintlich einhergehen, gesehen werden: Ein Punkt, der häufig in Netiquetten (die expliziten Verhaltensregeln zur Online-Kommunikation) zu finden ist, besagt schließlich, nicht den Menschen hinter dem Text zu vergessen. Es wird also zur erhöhten Aufmerksamkeit bei der Auseinandersetzung mit ‚Kanalreduzierten‘ Texten aufgefordert. Zweitens werden mögliche Kompensationen wie etwa Emoticons und Sound- bzw. Aktionswörter im Kanalreduktionsmodell entweder negiert oder für gering erachtet. Dies stellt aber nur eine schwache Kritik an der Kanalreduktionsargumentation dar, welche im Grunde die Beschränktheit medialer Kommunikation im Vergleich zu Face-to-Face-Situationen akzeptiert.

Die starke Kritik betrachtet die Face-to-Face-Kommunikation an sich als eine ganzheitliche und menschliche Interaktion und negiert nicht nur deren spezifischen Restriktionen (siehe Liste 1), überschätzt sondern auch den Informationswert nonverbaler Botschaften. Zugleich sei die Telekommunikation insbesondere die computervermittelte Kommunikation immer mit einer Beschränkung der Ausdrucksmöglichkeiten verbunden. Außerdem können etwa Emoticons bzw. Aktionswörter als „genuin neue expressive Meta-Botschaften“ begriffen werden und nicht als unzureichende Kompensation (vgl. Döring 2003, S. 152).

In Face-to-Face-Interaction…

  1. All members are linked in all modalities with 0 time lag.
  2. One and only one person has the floor at only one time. Except for momentary silences, someone is always holding the floor.
  3. Speakers exercise some control over who the next speaker will be, as well as when they can interrupt.
  4. Group members share floor time unequally.
  5. Speakers cannot pause too briefly of for too long a time (hence few interrup-tions, few silences).
  6. Speakers signal transitions using multiple cues in different modalities or channels.
  7. The audience for each act is all, but only, the set of participants present.
  8. The set of potential next speakers is all, but only, the set of participants present.
  9. There is no anonymity in face-to-face groups.
  10. Group members expect each input to be logically or psychologically connected to preceding or anticipated inputs.

Liste 1: Restriktionen bei der Face-to-Face-Kommunikation (nach McGrath & Hoolingshead 1990, S.35)

Das Kanalreduktionsmodell ist technikdeterministisch ausgereichtet. Die dabei genannte Entfremdung und Distanz erlebt man tatsächlich bei der alltäglichen Mediennutzung, was ernst zu nehmen ist. Sie können neugierige und konstruktive Medienaneignung erschweren und sogar verhindern. Demzufolge ist es wichtig, individuelle und gruppenspezifische Vorbehalte und Befürchtungen aufzugreifen. Ideal sind zielgruppenspezifische Angebote zur Internet-Aneignung, die Medienkompetenz steigern und positive Nutzungserfahrungen ermöglichen, weil Grenzen der Face-to-Face-Kommunikation thematisiert und Chancen medialer Schriftlichkeit ausgeschöpft werden. Weiterhin ist auch sinnvoll, die Grenzen medialer Kommunikation bzw. Kommunikationsbereitschaft zu beachten, das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit zu respektieren und nicht-mediale Kommunikationsgelegenheiten zu fördern. (vgl. Döring 2003, S. 154)

Herausfiltern sozialer Hinweisreize

Auf der Grundidee des Kanalreduktionsmodells aufbauend, geschieht bei der computervermittelten Kommunikation ein Herausfiltern von „sozialen Hinweisreizen“: Mit einer Verringerung der Kommunikationskanäle ist ein Informationsverlust verbunden, der die Wahrnehmung des Gegenübers verändert. Die nonverbalen vor allem visuell vermittelten Hintergrundinformationen haben im Alltag einen entscheidenden Einfluss darauf, wie man eine andere Person auf den ersten Blick einschätzt und ob und wie man überhaupt mit ihr in Kontakt kommt. Aber bei der computervermittelten Kommunikation sind diese Hintergrundinformationen (Alter, Aussehen, Bildung, Status, Vermögen usw.) alle ausgeblendet. Hier beschreibt man die Beziehung zu einer anderen Person durch einen Nivellierungseffekt: „Weder die imposante Gestalt, noch die laute Stimme oder die elegante Kleidung schaffen in CvK-Szenarien einen Kommunikationsvorteil.“ (Döring 2003, S.155)

Außerdem können andere Probleme auftreten, wie etwa kann der Empfänger die Implikatur (Grice, 1993) von Sender nicht unbedingt genauso wahrnehmen. Die Implikatur erlaubt es einem Sprecher, mehr als seine Wörter zu kommunizieren. Es ermöglicht ihm das Gesagte kontextuell anzureichern, indem er etwas impliziert. Dies ist bei der Kommunikation im Internet umso schwieriger, weil sich Austauschprozesse und Beziehungen hier ganz anders gestalten, als in der verbalen Kommunikation.

Kompensationsmaßnahmen

Die veränderten Umstände bei der Interaktion in modernen Medienkanälen bedingen ein verändertes Kommunikationsverhalten. Folgend rücken einige Kompensationsmaßnahmen der Nutzer ins Blickfeld, um Restriktionen kanalreduzierter Kommunikation auszugleichen.

Soziale Informationsverarbeitung

„[A]us Sicht der Theorie der sozialen Informationsverarbeitung [ist] das Internet ein neuer sozialer Handlungsraum, in dem Menschen auf kreative Weise Gefühle ausdrücken, Beziehungen realisieren und soziale Fertigkeiten erlernen, ohne dass dabei automatisch Kommunikationsstörungen und Beziehungsverarmung resultieren müssen.“ (Döring 2003, S. 163) Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung geht davon aus, dass die aufgeführten Defizite verbalisiert und somit kompensiert werden können. Die nonverbalen Informationen z.B. Emotionalität, psychologische Nähe, Gestik und Mimik können durch andere Weise – durch Textzeichen – ausgedrückt. Die Mediennutzer entwickeln neue soziale Fertigkeiten bei der Textproduktion und –interpretation, um eine befriedigende Kommunikation zu realisieren. Es muss folglich nicht zur medienbedingten Verarmung der Kommunikation kommen.

Die Kommunikationspartner konzentrieren sich demgemäß nicht auf die fehlenden, sondern auf die medial verfügbaren sozialen Hinweise, erleben auf dieser Basis verschiedene Grade psychologischer Distanz zum Gegenüber und reagieren auf dieses Erleben, wodurch sie sich unterschiedlich verhalten und daran anpassen. In diesem Sinne werden mediale Einschränkungen kompensiert. Indem die Bedeutung des medialen Kommunikationsverhaltens auf Defizit-Kompensation zugespitzt wird, übt das Modell der sozialen Informationsverarbeitung nur „schwache Kritik“ am Kanalreduktionsmodell.

So können nonverbale Eindrücke durch Emoticons, Sound- und Aktionswörter unterstützt werden. Der geschickte Einsatz ermöglicht, dass tatsächlich Gefühle kommuniziert, sinnliche Eindrücke erzeugt werden.

Die folgende Tabelle 1 (nach Weinreich, 1997, S.15) bietet einen Überblick über die Kompensationsmöglichkeiten an.

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