Kompensation technologieinduzierter Defizite: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Umstand, dass die eigenen Äußerungen wortwörtlich allen an der Kommunikation Beteiligten vollständig vorliegen, kann zu einer Täuschung der Klarheit führen. Man bleibt der eigenen, scheinbar eindeutig nachvollziehbaren Perspektive verhaftet und ist sich weniger darüber bewusst, dass andere die eigene Textproduktion möglicherweise nicht ganz verstehen oder gemäß ihren Vorkenntnissen in ganz anderer Weise interpretieren. Demzufolge ist es sinnvoll, wenn gezielt Maßnahmen zur Optimierung der Publikumsanpassung eigener Äußerungen erfolgen, insbesondere bei Wissensdiskrepanzen, wie sie etwa in Dialogen zwischen Lehrenden und Lernenden bzw. zwischen Experten und Laien typisch sind. | Der Umstand, dass die eigenen Äußerungen wortwörtlich allen an der Kommunikation Beteiligten vollständig vorliegen, kann zu einer Täuschung der Klarheit führen. Man bleibt der eigenen, scheinbar eindeutig nachvollziehbaren Perspektive verhaftet und ist sich weniger darüber bewusst, dass andere die eigene Textproduktion möglicherweise nicht ganz verstehen oder gemäß ihren Vorkenntnissen in ganz anderer Weise interpretieren. Demzufolge ist es sinnvoll, wenn gezielt Maßnahmen zur Optimierung der Publikumsanpassung eigener Äußerungen erfolgen, insbesondere bei Wissensdiskrepanzen, wie sie etwa in Dialogen zwischen Lehrenden und Lernenden bzw. zwischen Experten und Laien typisch sind. | ||
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+ | ===Voraussetzungen=== | ||
+ | Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung und die anderen Kompensationsmaßnahmen können die Defizite wegen der Kanalreduktion bei der computervermittelten Kommunikation zwar ausgleichen, aber Medienkompetenz, Motivation, genügend Zeit werden hierfür vorausgesetzt. | ||
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+ | a) Medienkompetenz | ||
+ | Döring (vgl. Döring 1999, S. 24) gliedert die notwendige Medienkompetenz in folgende Teilbereiche: | ||
+ | #Technische Kompetenz: Hardware auswählen, System und Software installieren, Software bedienen, sowie ihre Funktionen beherrschen usw. | ||
+ | #Orientierungskompetenz: Zurechtfinden im ‚Daten-Meer‘, recherchieren, selektieren von Daten usw. | ||
+ | #Gestaltungskompetenz: „Erschaffen“ einer Online-Identität, designen einer Homepage usw. | ||
+ | #Soziale Kompetenz: (Kommunikations-)Kultur und soziale Regeln sowie Normen in den jeweiligen Newsgroups, Chats oder Mailing-Listen erkennen und einhalten, adäquate Kommunikationsprozesse entwickeln. | ||
+ | #Selbstmanagement-Kompetenz: autodidaktische Aneignung von (technischen) Fertigkeiten, kritische Reflexion der Netznutzung, usw. | ||
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+ | Daran kann man sehen, dass Medienkompetenz nicht nur die bloße Beherrschung der technischen Funktionen der Medien darstellt, sondern soziale und auch individuelle Aspekte hat. Demzufolge ist es wichtig, gezielte medienpädagogische Maßnahmen zu ergreifen bzw. anzubieten, um weitgehende Medienkompetenz herzustellen oder beizubehalten. | ||
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+ | b) Motivation | ||
+ | Die Nutzer müssen sich die Mühe machen, beispielsweise netzspezifische Ausdrucksmittel einzusetzen oder auf verbalen Weg ausführliche Erklärungen abzugeben. | ||
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+ | c) Genügend Zeit | ||
+ | Bei der computervermittelten Kommunikation wird in der Regel mehr Zeit benötigt als in Face-to-Face-Situationen. Denn nicht nur dauert die verbale Kommunikation schriftlich länger als mündlich, sondern auch paraverbale und nonverbale Botschaften erfordern zusätzliche Zeit. Die werden in Face-to-Face-Situationen zugleich mit den verbalen Äußerungen präsentiert. Aber bei der computervermittelten Kommunikation muss man solche Informationen explizit in Worte bzw. alphanumerische Zeichen fassen, was natürlich mehr Zeit kostet. |
Version vom 20. April 2007, 19:00 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Bevor die Kanalreduktions-Probleme und deren Kompensationsmaßnahmen behandelt werden, lässt sich zunächst der Begriff computervermittelte Kommunikation erklären. Pelz (1995) sieht die computervermittelte Kommunikation als einen Oberbegriff für unterschiedliche Anwendungsformen der elektronischen Übermittlung, Speicherung und des Abrufs von elektronischen Nachrichten durch Menschen über miteinander vernetzte Computer. Dabei fungieren die Computer als Kommunikationsmedien. Die Benutzer senden Nachrichten beispielsweise in Form einer E-Mail oder eines Newsgroup-Beitrags an ein Netzwerk mit verschiedenartigen Diensten (Internet, Intranet, Extranet). Abhängig vom Dienst sind die Nachrichten dann entweder für ein mehr oder weniger großes Publikum verfügbar, oder sie werden nur an einen bestimmten Empfänger bzw. an eine Gruppe von Empfänger weitergeleitet.
Mittlerweile wird die computervermittelte Kommunikation in sozialpsychologischer Perspektive geforscht. Dabei lassen sich jene Aspekte der Internet-Nutzung und –Wirkung an der Schnittstelle von Psychologie und Soziologie in den Blick nehmen, die auf der Ebene des individuellen Erlebens und Verhaltens im sozialen Kontext angesiedelt sind. Diese Kanalreduktion bezieht sich auf ein spezifisches Medienmerkmal von computervermittelter Kommunikation, das den Kommunikationsprozess maßgebend beeinflusst. Durch Wegfall der Kanäle wird diese Kommunikationsform im Vergleich mit der direkten Kommunikation, Face-to-Face-Kommunikation als defizitär und emotionslos angesehen.
Computervermittelte Kommunikation versus Face-to-Face-Kommunikation
Als natürliche Grundform zwischenmenschlicher Kommunikation gilt die Face-to-Face-Kommunikation bzw. die Body-to-Body-Kommunikation. Dabei kommen die Kommunikationspartner zur gleichen Zeit am gleichen Ort zusammen und tauschen verbale, paraverbale sowie nonverbale Botschaften aus. Potenziell sind bei der Face-to-Face-Situation alle Sinnesmodalitäten involviert: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Im Gegensatz dazu läuft die computervermittelte Kommunikation in erster Linie textbasiert ab: Man tippt auf der Computertastatur und liest vom Computermonitor ab. Dabei lassen sich Bilder und Töne auch als Ergänzungsmittel einsetzen. Nicht-textbasiert wie etwa Internet-Telefonie und Internet-Videokonferenz verbindet einen persönlichen Kontakt zwar am Nahesten, aber sie finden nur geringe Verbreitung. Außerdem bezieht sich das Konzept der computervermittelten Kommunikation vor allem auf textbasierte Online-Kommunikation. Demzufolge werden hier die gerade genannten Telekommunikationen Internet-Telefonie und Internet-Video-Konferenz nur bedingt miteingeschlossen.
Kanalreduktionsmodell
Lassen sich die computervermittelte Kommunikation und Face-to-Face-Kommunikation vergleichen, ist der große Unterschied die Kanalreduktion bei der computervermittelten Kommunikation. Die beiden Kommunikationen werden durch die Anzahl der Kanäle bewertet, die den Kommunizierenden zugänglich sind. Als Standard gilt die Face-to-Face-Situation, wobei alle Kanäle vorhanden sind. Demgegenüber sind bei der computervermittelten Kommunikation zahlreiche Sinneskanäle weggefallen. Die paraverbalen, nonverbalen sowie die über den „reinen“ Gesprächsinhalt hinausgehenden Sinneseindrücke sind alle ausgeschlossen z.B. Gestik, Mimik, Tonfall, Geruch, Geschmack, Berührung usw. Deswegen betrachtet man die computervermittelte Kommunikation im Vergleich zur Face-to-Face-Kommunikation als mangelhaft und unpersönlich.
Schon im Jahre 1977 haben Turoff und Hiltz beschrieben, wie defizitär die computervermittelte Kommunikation ist. „The most obvious are the need for typewriting and the lack of eye contact, facial expressions, gestures, and verbal intonations that lend so much richness to face-to-face and even telephone conversations.“ (Turoff & Hiltz 1977, S.60) Das begründet sich darauf, dass die computervermittelte Kommunikation meist textbasiert geschieht und daher verschiedene Kanäle gar nicht oder nur schwach übertragen werden. Deswegen führt die Kanalreduktion zu einer Verarmung der Kommunikation und zu einer Reduktion der gemeinsamen Handlungsmöglichkeiten der Kommunikationspartner. Ent-Sinnlichung, Ent-Emotionalisierung, Ent-Kontextualiserung oder sogar Ent-Menschlichung (Bleuel, 1984; Eurich, 1983; Kubicek & Rolf 1986, S.263ff.; Mettler-von Meibom 1994, S. 18f.; Volpert 1985, S. 94) sind Stichwörter, die den defizitären Charakter der textbasierten computervermittelten Kommunikation kennzeichnen. Da diese Art der Verständigung zusätzlich asynchron ablaufen kann und auch geografische Distanzen überwindet, lässt sich die Aspekte Ent-Räumlichung und Ent-Zeitlichung ergänzen (Herrmann, 1994). Diese Entleerung der Kommunikation wird unter dem Begriff Ent-Wirklichung (Raulet, 1992) umfassend beschrieben.
Wenn das Kanalreduktionsmodell kritisiert wird, unterscheidet Döring die Kritik in schwacher und in starker Weise. Bei der schwachen Kritik ist erstens so, dass die Gefahren, die dabei vermeintlich einhergehen, gesehen werden: Ein Punkt, der häufig in Netiquetten (die expliziten Verhaltensregeln zur Online-Kommunikation) zu finden ist, besagt schließlich, nicht den Menschen hinter dem Text zu vergessen. Es wird also zur erhöhten Aufmerksamkeit bei der Auseinandersetzung mit ‚Kanalreduzierten‘ Texten aufgefordert. Zweitens werden mögliche Kompensationen wie etwa Emoticons und Sound- bzw. Aktionswörter im Kanalreduktionsmodell entweder negiert oder für gering erachtet. Dies stellt aber nur eine schwache Kritik an der Kanalreduktionsargumentation dar, welche im Grunde die Beschränktheit medialer Kommunikation im Vergleich zu Face-to-Face-Situationen akzeptiert.
Die starke Kritik betrachtet die Face-to-Face-Kommunikation an sich als eine ganzheitliche und menschliche Interaktion und negiert nicht nur deren spezifischen Restriktionen (siehe Liste 1), überschätzt sondern auch den Informationswert nonverbaler Botschaften. Zugleich sei die Telekommunikation insbesondere die computervermittelte Kommunikation immer mit einer Beschränkung der Ausdrucksmöglichkeiten verbunden. Außerdem können etwa Emoticons bzw. Aktionswörter als „genuin neue expressive Meta-Botschaften“ begriffen werden und nicht als unzureichende Kompensation (vgl. Döring 2003, S. 152).
In Face-to-Face-Interaction…
- All members are linked in all modalities with 0 time lag.
- One and only one person has the floor at only one time. Except for momentary silences, someone is always holding the floor.
- Speakers exercise some control over who the next speaker will be, as well as when they can interrupt.
- Group members share floor time unequally.
- Speakers cannot pause too briefly of for too long a time (hence few interrup-tions, few silences).
- Speakers signal transitions using multiple cues in different modalities or channels.
- The audience for each act is all, but only, the set of participants present.
- The set of potential next speakers is all, but only, the set of participants present.
- There is no anonymity in face-to-face groups.
- Group members expect each input to be logically or psychologically connected to preceding or anticipated inputs.
Liste 1: Restriktionen bei der Face-to-Face-Kommunikation (nach McGrath & Hoolingshead 1990, S.35)
Das Kanalreduktionsmodell ist technikdeterministisch ausgereichtet. Die dabei genannte Entfremdung und Distanz erlebt man tatsächlich bei der alltäglichen Mediennutzung, was ernst zu nehmen ist. Sie können neugierige und konstruktive Medienaneignung erschweren und sogar verhindern. Demzufolge ist es wichtig, individuelle und gruppenspezifische Vorbehalte und Befürchtungen aufzugreifen. Ideal sind zielgruppenspezifische Angebote zur Internet-Aneignung, die Medienkompetenz steigern und positive Nutzungserfahrungen ermöglichen, weil Grenzen der Face-to-Face-Kommunikation thematisiert und Chancen medialer Schriftlichkeit ausgeschöpft werden. Weiterhin ist auch sinnvoll, die Grenzen medialer Kommunikation bzw. Kommunikationsbereitschaft zu beachten, das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit zu respektieren und nicht-mediale Kommunikationsgelegenheiten zu fördern. (vgl. Döring 2003, S. 154)
Herausfiltern sozialer Hinweisreize
Auf der Grundidee des Kanalreduktionsmodells aufbauend, geschieht bei der computervermittelten Kommunikation ein Herausfiltern von „sozialen Hinweisreizen“: Mit einer Verringerung der Kommunikationskanäle ist ein Informationsverlust verbunden, der die Wahrnehmung des Gegenübers verändert. Die nonverbalen vor allem visuell vermittelten Hintergrundinformationen haben im Alltag einen entscheidenden Einfluss darauf, wie man eine andere Person auf den ersten Blick einschätzt und ob und wie man überhaupt mit ihr in Kontakt kommt. Aber bei der computervermittelten Kommunikation sind diese Hintergrundinformationen (Alter, Aussehen, Bildung, Status, Vermögen usw.) alle ausgeblendet. Hier beschreibt man die Beziehung zu einer anderen Person durch einen Nivellierungseffekt: „Weder die imposante Gestalt, noch die laute Stimme oder die elegante Kleidung schaffen in CvK-Szenarien einen Kommunikationsvorteil.“ (Döring 2003, S.155)
Außerdem können andere Probleme auftreten, wie etwa kann der Empfänger die Implikatur (Grice, 1993) von Sender nicht unbedingt genauso wahrnehmen. Die Implikatur erlaubt es einem Sprecher, mehr als seine Wörter zu kommunizieren. Es ermöglicht ihm das Gesagte kontextuell anzureichern, indem er etwas impliziert. Dies ist bei der Kommunikation im Internet umso schwieriger, weil sich Austauschprozesse und Beziehungen hier ganz anders gestalten, als in der verbalen Kommunikation.
Kompensationsmaßnahmen
Die veränderten Umstände bei der Interaktion in modernen Medienkanälen bedingen ein verändertes Kommunikationsverhalten. Folgend rücken einige Kompensationsmaßnahmen der Nutzer ins Blickfeld, um Restriktionen kanalreduzierter Kommunikation auszugleichen.
Soziale Informationsverarbeitung
„[A]us Sicht der Theorie der sozialen Informationsverarbeitung [ist] das Internet ein neuer sozialer Handlungsraum, in dem Menschen auf kreative Weise Gefühle ausdrücken, Beziehungen realisieren und soziale Fertigkeiten erlernen, ohne dass dabei automatisch Kommunikationsstörungen und Beziehungsverarmung resultieren müssen.“ (Döring 2003, S. 163) Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung geht davon aus, dass die aufgeführten Defizite verbalisiert und somit kompensiert werden können. Die nonverbalen Informationen z.B. Emotionalität, psychologische Nähe, Gestik und Mimik können durch andere Weise – durch Textzeichen – ausgedrückt. Die Mediennutzer entwickeln neue soziale Fertigkeiten bei der Textproduktion und –interpretation, um eine befriedigende Kommunikation zu realisieren. Es muss folglich nicht zur medienbedingten Verarmung der Kommunikation kommen.
Die Kommunikationspartner konzentrieren sich demgemäß nicht auf die fehlenden, sondern auf die medial verfügbaren sozialen Hinweise, erleben auf dieser Basis verschiedene Grade psychologischer Distanz zum Gegenüber und reagieren auf dieses Erleben, wodurch sie sich unterschiedlich verhalten und daran anpassen. In diesem Sinne werden mediale Einschränkungen kompensiert. Indem die Bedeutung des medialen Kommunikationsverhaltens auf Defizit-Kompensation zugespitzt wird, übt das Modell der sozialen Informationsverarbeitung nur „schwache Kritik“ am Kanalreduktionsmodell.
So können nonverbale Eindrücke durch Emoticons, Sound- und Aktionswörter unterstützt werden. Der geschickte Einsatz ermöglicht, dass tatsächlich Gefühle kommuniziert, sinnliche Eindrücke erzeugt werden.
Die folgende Tabelle 1 (nach Weinreich, 1997, S.15) bietet einen Überblick über die Kompensationsmöglichkeiten an.
Derartige Substituten können zwar nicht die Ausdrucksmöglichkeiten menschlicher Mimik und Gestik ersetzen, aber Limitationen der computervermittelten Kommunikation sind mit ihrer Hilfe teilweise auszugleichen. Im Folgenden werden Emoticons, Soundwörter, Aktionswörter, Akronyme/Slang-Akronyme und Textdekorationen genau aufgezeigt.
a) Emoticons (engl. „emotion“: Gefühl): Einfache, mit der Tastatur erzeugbare Bildchen, die Gefühle ausdrücken, auch „Smileys“ genannt.
Die Tabelle 2 zeigt die gebräuchlichsten Arten der Emoticons. Dabei gibt es Standardformen, Kurzformen für faule Leute und die entsprechenden Bedeutungen.
Die meisten Emoticons sind bildlich und klar. Aber die wenigen, beispielsweise die Wahnsinn und Enttäuschung bedeuten, könnte man auf den ersten Blick nicht genau wissen, was die sind. Aber normalerweise verwendet man die Emoticons im Kontext, wobei man die Bedeutung daraus erschließen kann. Jedoch ist es unerlässlich, dass der Empfänger die Emoticons richtig wahrnimmt.
b) Soundwörter: Beschreibungen einer solchen Handlung mit immer einer Lautproduktion, weshalb von Soundwörtern gesprochen wird. Die bestehen teilweise aus isolierten Verbstämmen und teilweise aus Geräuschbeschreibungen. Beispiele: „lach“, „gähn“, „seufz“, „mampf“: essen, „grrrr“: Wut, „fomp“: Bierflasche öffnen.
c) Aktionswörter: Sie drücken eine ausgeführte Handlung aus und sind fast immer isolierte Verbstämme. Beispiele: „schnapp“, „würg“, „kicher“, „erschreck“.
d) Akronyme/Slang-Akronyme: Dabei versucht man die Effizienz beim Tippen auf der Tastatur zu optimieren. Einige der bekanntesten Akronyme und Beispiele von utopisch anmutenden Akronymbildungen zeigt Tabelle 3.
Im Falle von hochspezialisierten Akronymen, wie etwa hier die letzten beiden, die ganz kompliziert und schwer zu entschlüsseln sind, kann man gar nicht von Effizienz reden. Allerdings muss es von einer kulturellen Bedeutung ausgehen. Hierbei ist ein gemeinsames Verständnis der Kommunikationspartner über die Bedeutung der Zeichen für eine erfolgreiche Kommunikation grundlegend. Das gilt auch für die gerade erwähnten Emoticons, Sound- und Aktionswörter.
e) Textdekorationen: Obwohl nonverbale kommunikative Zeichen bei der computervermittelten Kommunikation fehlen, geschieht dennoch nonverbale Kommunikation. Anstatt der Körperdekoration wie etwa Frisur, Rasur, Schmuck, Kleidung tritt die Textdekoration beispielsweise Einsatz von Textfarben, Hintergrundfarben, Hintergrundmustern sowie Formatierungen.
Darüber hinaus spielt die Zeit in der computervermittelten Kommunikation eine wichtige Rolle. In der asynchronen Kommunikation beeinflussen neben Antwortlatenzen auch die Absendezeiten (z.B. morgens, mittags, abends oder nachts) die Wahrnehmung von Dringlichkeit oder Intimität kommunikativer Botschaften. In der synchronen Kommunikation signalisiert promptes Antworten Aufmerksamkeit und Zuwendung. Aber normalerweise ist der Fall nicht, denn die netztechnisch bedingten Verzögerungen bringen dabei auf der Ebene der Chronemik deutliche Interpretationsprobleme mit sich: Ist das Netz gerade überlastet und meine Äußerung noch nicht angekommen? Kann die andere Person nur langsam tippen? Überlegt sie sich die Antwort so gründlich? Ist sie gleichzeitig in andere Chat-Dialoge vertieft? Hat sie das Interesse an der Kommunikation mit mir verloren? Ist sie verärgert? Freilich können solche Unsicherheiten im Zuge wechselseitiger Fragen („komme ich bei dir auch so langsam an“) und Hinweise („ich muss gerade mal auf die Toilette“) reduziert werden. Ob und unter welchen Umständen sich die Strapaze umfassender Explizierungen übernehmen lassen, ist jedoch eine empirische Frage.
Kocks kompensatorisches Adaptionsmodell (Kock 1998, 2001b)
Kock ergänzt das Modell der sozialen Informationsverarbeitung durch sein kompensatorisches Adaptionsmodell. Es geht davon aus, dass noch weitere, nicht-emotionale Restriktionen der computervermittelten Kommunikation durch aktives und bewusstes Nutzerverhalten kompensiert werden. So durchdenken erfahrene Netznutzer ihre Beiträge von vornherein besser, präventiv um Missverständnisse zu begegnen, die durch die geringe soziale Präsenz entstehen können.
Im Rahmen einer Studie konnte Kock (Kock 1998, 2001b) folgendes feststellen: 12, aus 5 bis 15 Mitgliedern bestehende akademische Arbeitsgruppen sollten per Mailingliste über Verbesserungsmöglichkeiten der Arbeitsqualität an ihren Universitäten diskutieren. Die virtuellen Arbeitsgruppen benötigten längere Antwortzeiten und erstellten durchschnittlich sechs Wörter pro Minute. In den Face-to-Face-Gruppen wurden dagegen 113 Wörter pro Minute bei kürzeren Antwortzeiten produziert. Dennoch waren die Beiträge der virtuellen Gruppen länger und informativer als die der anderen, weil sie mögliche Missverständnisse vorbeugen wollten. Als Fazit wurde von den Teilnehmern gezogen, dass der computervermittelte Wissensaustausch effektiver verlief, als in Face-to-Face-Gruppen. Informationsarme Medien (z.B. E-Mails) können also in bestimmten Situationen die reichen Medien sogar übertreffen. Den Nutzern muss die Informationsarmut des Mediums jedoch bewusst sein, damit sie zu einem informationsreicheren Kommunikationsverhalten motiviert werden.
Wie ein informationsreicheres Kommunikationsverhalten aussehen sollte, hängt von der Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern, vom Thema sowie vom Vorwissen ab. Um Kommunikation nicht nur im Sinne von Informationsaustausch, sondern auch im Sinne von Verständigung durchzuführen, müssen sich die Kommunikationspartner generell auf das jeweilige Gegenüber einstellen. Um genauer eigene Äußerungen für das jeweilige Gegenüber zu erläutern, kann man dabei verschiedene Heuristiken verwenden: Gehört das Gegenüber zu einer relevanten sozialen Gruppe, der man auch angehört, sind die ausgetauschten Botschaften gespeichert und zugreifbar.
Der Umstand, dass die eigenen Äußerungen wortwörtlich allen an der Kommunikation Beteiligten vollständig vorliegen, kann zu einer Täuschung der Klarheit führen. Man bleibt der eigenen, scheinbar eindeutig nachvollziehbaren Perspektive verhaftet und ist sich weniger darüber bewusst, dass andere die eigene Textproduktion möglicherweise nicht ganz verstehen oder gemäß ihren Vorkenntnissen in ganz anderer Weise interpretieren. Demzufolge ist es sinnvoll, wenn gezielt Maßnahmen zur Optimierung der Publikumsanpassung eigener Äußerungen erfolgen, insbesondere bei Wissensdiskrepanzen, wie sie etwa in Dialogen zwischen Lehrenden und Lernenden bzw. zwischen Experten und Laien typisch sind.
Voraussetzungen
Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung und die anderen Kompensationsmaßnahmen können die Defizite wegen der Kanalreduktion bei der computervermittelten Kommunikation zwar ausgleichen, aber Medienkompetenz, Motivation, genügend Zeit werden hierfür vorausgesetzt.
a) Medienkompetenz Döring (vgl. Döring 1999, S. 24) gliedert die notwendige Medienkompetenz in folgende Teilbereiche:
- Technische Kompetenz: Hardware auswählen, System und Software installieren, Software bedienen, sowie ihre Funktionen beherrschen usw.
- Orientierungskompetenz: Zurechtfinden im ‚Daten-Meer‘, recherchieren, selektieren von Daten usw.
- Gestaltungskompetenz: „Erschaffen“ einer Online-Identität, designen einer Homepage usw.
- Soziale Kompetenz: (Kommunikations-)Kultur und soziale Regeln sowie Normen in den jeweiligen Newsgroups, Chats oder Mailing-Listen erkennen und einhalten, adäquate Kommunikationsprozesse entwickeln.
- Selbstmanagement-Kompetenz: autodidaktische Aneignung von (technischen) Fertigkeiten, kritische Reflexion der Netznutzung, usw.
Daran kann man sehen, dass Medienkompetenz nicht nur die bloße Beherrschung der technischen Funktionen der Medien darstellt, sondern soziale und auch individuelle Aspekte hat. Demzufolge ist es wichtig, gezielte medienpädagogische Maßnahmen zu ergreifen bzw. anzubieten, um weitgehende Medienkompetenz herzustellen oder beizubehalten.
b) Motivation Die Nutzer müssen sich die Mühe machen, beispielsweise netzspezifische Ausdrucksmittel einzusetzen oder auf verbalen Weg ausführliche Erklärungen abzugeben.
c) Genügend Zeit Bei der computervermittelten Kommunikation wird in der Regel mehr Zeit benötigt als in Face-to-Face-Situationen. Denn nicht nur dauert die verbale Kommunikation schriftlich länger als mündlich, sondern auch paraverbale und nonverbale Botschaften erfordern zusätzliche Zeit. Die werden in Face-to-Face-Situationen zugleich mit den verbalen Äußerungen präsentiert. Aber bei der computervermittelten Kommunikation muss man solche Informationen explizit in Worte bzw. alphanumerische Zeichen fassen, was natürlich mehr Zeit kostet.