Facettenklassifikation
Eine Facettenklassifikation (auch analytisch-synthetische Klassifikation) ist eine Kombination der Konstruktionsprinzipien von Notation, Hierarchie und Citation Order aus der Klassifikation mit dem Prinzip der Facettierung. Dabei wird der Wissensbereich nicht in eine starre Baumstruktur wie in der Dezimalklassifikation eingegliedert; die Anzahl der Teilsysteme richtet sich nach der Anzahl von Facetten.
Inhaltsverzeichnis
Historische Entwicklung
Die bekannteste und älteste Form der Facettenklassifikation, die Colon Classification (CC), geht auf den indischen Mathematiker und Bibliothekar Shiyali Ramamrita Ranganathan (1892-1972) zurück. Ranganathan führte anfangs der 20er Jahre das Prinzip der Facettierung in die Klassifikationspraxis der Universitätsbibliothek Madras ein. 1933 entwickelte er die Grundzüge der Colon Classification, welche aktuell in der von 1972 erschienenen siebten, verbesserten Auflage vorzufinden ist. Die Colon Classification ist eine teilfacettierte Universalklassifikation, welche über eine kurze, kaum ausgebildete Hierarchie verfügt. Der Name der Klassifikation lässt sich von "colon" (dt. Doppelpunkt) ableiten, wobei auch weitere Interpunktionszeichen wichtige Bestandteile der Notation bilden.
Colon Classification
Die CC besteht aus logisch angeordneten Klassen, welche mit Grossbuchstaben kennzeichnet werden ( A Wissenschaft, B Mathematik, C Physik usw.). Diese Klassen werden in Unterklassen geteilt, als Notationen werden dabei arabische Ziffern benutzt, was bei der Gruppierung bei den "Nützlichen Künsten" folgendermassen aussieht:
M — Nützliche Künste
M1 — Buchproduktion und -beschreibung
M13 — Papierherstellung
M14 — Drucken (allgemein)
M143 — Druck
M1435 — Offsetdruck
Klassen können auch zu Doppelklassen zusammengefasst und mit Doppelbuchstaben bezeichnet werden. Danach folgen die in Facetten unter einem Oberbegriff zusammengefassten Einzelbegriffe.
Allgemeines zur Facettenklassifikation
Der Ausgangspunkt bei der Facettenklassifikation ist die Überlegung, dass ein Gegenstandsbereich aus verschiedenen Blickwinkeln oder unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden kann. Aus diesen Aspekten werden Facetten. Facettierte Begriffsordnungen können Wissensdomänen mit wesentlich geringerem Platzaufkommen speichern, als dies bei den typischen Klassifikationssystemen der Fall ist. Die Anzahl der Teilsysteme richtet sich nach der Anzahl der Facetten; Facettenklassifikationen besitzen keine Baumstruktur, weshalb sie flexibel und jederzeit erweiterbar sind. Die Notation wird bei der Bearbeitung des Dokuments durch Notationen aus den jeweils zutreffenden Facetten zusammengebaut. Ab dem 1. Dokument steht die fertig synthetisierte Notation allen anderen themengleichen oder themenähnlichen Dokumenten zur Verfügung.
Facetten
Eine Facette ist das Ergebnis der Unterteilung eines Gegenstandsbereichs in grundlegende Aspekte, d.h. letztlich nichts anderes als eine Klasse die einen Begriff auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau repräsentiert. Facetten werden häufig mit einem Facettenindikator versehen, welche ermöglichen, die einzelnen Bestandteile einer zusammengesetzten Notation als solche zu identifizieren. Die Ausprägungen einer Facette werden als Foci bezeichnet. Facetten lassen sich fünf Grund- bzw. Fundamentalkategorien zuordnen:
Zu den Facetten zählen ferner auch allgemeine, für alle Klassen geltende genormte Reihen von formbeschreibenden, chronologischen und geographischen Begriffen sowie Unterteilungen nach Sprachen. Für die Anwendung der Facettenmethode ist die Folge der fünf Grundkategorien P-M-E-S-T als verbindliche Reihenfolge festgelegt worden (citation order). Durch die Citation Order wird gewährleistet, dass thematisch verwandte Dokumente nebeneinander stehen. Jeder Focus einer Facette wird durch eine Notation charakterisiert. An einen Focus der 1. Facette können alle Foci der 2. Facette angehängt werden, an diese wiederum Foci der 3. Facette etc. Die Foci sind disziplinspezifisch und kontextabhängig ausgerichtet, weshalb z.B. die Energie-Facette bei Medizin ganz anders aussieht, als bei Landwirtschaft.
Hauptbestandteile sind die Tafeln der Klassen, der ihnen zugeordneten Facetten sowie ein alphabetisches Register. Die Unterscheidung von Haupt- und Hilfstafeln fällt weg, alle Tafeln sind quasi gleichberechtigt.
Eigenschaften der Facettenklassifikation
Analytisch-synthetische Klassifikationen gehen im Gegensatz zu typischen, starr strukturierten analytischen Klassifikationen von den in der Systematik zusammengestellten, gleichrangigen Merkmalsbegriffen eines Wissensgebiets aus (z.B. Objekte, Eigenschaften, Personen, Zeit) denen entsprechende Einzelbegriffe (auch Foci oder Isolate genannt) zugeordnet werden. Begriffsgruppen, welche auf diese Weise entstehen, werden Facetten oder Kategorien genannt. Weitere notwendige Untergliederung erfolgt durch (Unter-) Facetten. Facettenklassifikationen sind ahierarchisch und mehrdimensional, mit ihnen können postkoordinativ, d.h. erst bei der Erschliessung von Wissensquellen sehr komplexe Sachverhalte wiedergegeben werden:
- Beispiel aus einer Facettenklassikation
- Sachverhalt: Verhütung von Hautkrankheiten bei Chemiearbeitern
- Notation: CgHeMbi
- Erläuterung:
--> Cg Hautkrankheiten (Aus der Facette C= Berufskrankheiten)
--> He Verhütungsmassnahmen (Facette H= Arbeitsschutz
--> Mbi Chemiearbeiter (Facette M= Berufsgruppen)
Quellen
- Fuchs, Susanne (2001): Klassifikation und Thesaurus. Seminararbeit Informationswirtschaft. Wirtschaftsuniversität Wien. Verfügbar unter: https://ai.wu.ac.at/~koch/courses/wuw/archive/inf-sem-ws-00/fuchs/Facettenklassifikation.htm. 30.11.14
- Manecke, H.-J. (2004): Klassifikation. In: Buder/Rehfeld/Seeger/Strauch (Hrsg., 2004): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. München et al. K.G. Saur, 127-138)
Links
- Seminararbeit zum Oberthema Klassifikation und Thesaurus - Patentklassifikation. http://www.ai.wu.ac.at/~koch/courses/wuw/archive/inf-sem-ws-00/fuchs/Facettenklassifikation.htm
(Link zuletzt besucht: 04.08.2010)