Communities of Practice

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Unter Communities of Practice (engl.) versteht man eine Gemeinschaft von Personen, "die inhaltlich durch ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Tätigkeit oder ein gemeinsames Bestreben sowie durch soziale Beziehungen und gemeinsame Werte miteinander verbunden sind. Im Zentrum von Communities of Practice stehen der Austausch von Ideen, Einsichten und Erkenntnissen, das gemeinsame Lernen sowie die gegenseitige Hilfe und Unterstützung." (Henschel, A., 2001) Das Konzept von Communities of Practice (Abk.: CoP) bezieht sich auf den Prozess des sozialen Lernens von Personen, die ein gemeinsames Interesse an einem Thema oder einer Aufgabe haben und mittels Erfahrungen innerhalb der Gemeinschaft Lösungen und Innovationen hervorbringen möchten.

Der Begriff wurde erstmals 1991 von Jean Lave und Etienne Wenger in einer Untersuchung zu situiertem Lernen in Gemeinschaften gebraucht. Wenger spezialisierte sich auf dieses Konzept und veröffentlichte zahlreiche Untersuchungen dazu.

Die Gründe zur Bildung vom Communities of Practice sind vielfältig. Nach Wenger liegen die Kernursachen in übergreifenden Problemen in einer Organisation, in der mangelnden Wissenstransparenz und in dem menschlichen Grundbedürfnis nach Wissensteilung, Kreativität nach Gemeinschaft und Kontakt zu Gleichgesinnten. Aus Erfahrung wissen Menschen, dass der Austausch von Wissen zu einer Vergrößerung ihres eigenen Wissensschatzes führt.

Charakteristika

CoPs sind über einen längeren Zeitraum bestehende Personengruppen, die aus verschiedenen hierarchischen Ebenen und funktionalen Bereichen einer Organisation oder eines Interessengebietes stammen. Sie bilden eine weisungsunabhängige und sich organisch entwickelnde Gruppe von Personen, die als primäres Ziel haben, Wissen zu pflegen, es zu bewirtschaften, auszutauschen bzw. das Lernen zu fördern. CoPs sich in der Regel nicht tätigkeitsorientiert, die Mitglieder nehmen freiwillig teil und treffen sich zum Austausch von Erfahrungen und Ideen. Die Führung der Gruppe wird durch die Mitglieder selbst bestimmt und die Zusammenkunft geschieht persönlich als auch über ein Kommunikationsmedium. Communities of Practice arbeiten zeitunabhängig. Sie bilden und trennen sich in Abhängigkeit des Interesses und der Dynamik der Teilnehmer.

Ziele

Ziele von Communities of Practice sind

  • Wissen zu fachspezifischen Themen
    • zu identifizieren
    • zu sammeln
    • zu systematisieren
    • zu beurteilen
    • auszutauschen
    • zu verbreiten
  • und neues Wissen zu generieren durch
    • das Erarbeiten von best practices
    • Verbesserung von Strategien mittels Lernen aus alten Fehlern

Abgrenzungen

Communities of Practice grenzen sich klar durch Selbstorganisation und Unabhängigkeit ab.

  • Wissensnetzwerke werden von Organisationen ins Leben gerufen, um Wissen aufzuspüren, zu überprüfen, zu teilen und zu speichern. Hier fehlt die organische Entwicklung durch die Institutionalisierung.
  • Knowledge Communities, wie die Linux-Community, sind Gruppen zum Zwecke des Wissensaustauschs, die zumeist ungesteuert sind und nur über das Internet kommunizieren. Eine Steuerung durch eine Führung ist durch die Größe der Community kaum möglich.
  • Business Communities sind geschäftlich orientierte Internetgemeinschaften, die über das Inter- oder Intranet themenbezogen kommunizieren.
  • Arbeitsgruppen grenzen sich durch Ihre klare Zielsetzung zu Communities of Practice ab. Sie sind ähnlich wie Wissensnetzwerke institutionalisiert und arbeiten in der Regel unter Zeitvorgaben.


Struktur von Communities of Practice

Strukturmodell

Nach Wenger bestehen CoPs aus drei Kernelementen, die von einander abhängig sind und sich wechselseitig bedürfen. Die Kernelemente sollten im Gleichgewicht gehalten werden. Dieses Modell schafft eine ideale Basis, um Wissen in einem Unternehmen zu bewirtschaften, denn die drei Teile einer Community of Practice repräsentieren sinn- und identitätsstiftend die unterschiedlichen Aspekte der Teilnahme von Mitgliedern.

  • Domain (Wissensbereich):
    • Anzahl der Experten ist höher als Anzahl von Novizen
    • Verhandlung von Wissensgebieten
    • Sammlung von Themen, Schwerpunkten, Problemen und offenen Punkten, von großer Bedeutung für die Mitglieder
    • Interessenkern, mit dem sich die Mitglieder identifizieren
    • Zentrum für Wissensgestaltung und –weiterentwicklung
    • hat die größte Dynamik der drei Teilbereiche
  • Community (Gemeinschaft):
    • Experten und Novizen befinden sich auf einer Ebene
    • Führung der Gemeinschaft ist flexibel
    • Raum für persönliche und institutionelle Beziehungen und Begegnungen
    • fördert die Bindungen, Interaktionen und Entwicklung der individuellen und kollektiven Identitäten
    • Herausbildung von eigenen Sitten und Gebräuchen sowie Kommunikationsregeln
  • Practice (Praxis):
    • Ort für das gemeinsam erarbeitetes Wissen zur Aufgabenbewältigung, wie z.B. Referenzmodelle, Standards, Ideen Instrumente, Geschichten, Erfahrungen, Dokumente etc. ** Mitglieder praktizieren, verdeutlichen und teilen hier ihr Wissen um die Domain
    • Übertragung des impliziten Wissens durch aktive Teilnahme und Erzählen aus dem Wissensschatz

Der im Bild schwarz dargestellte Bereich symbolisiert den Kern einer Community of Practice, in dem sich die Kernmitglieder befinden. Im Kern sammelt sich das Wissen und hier herrscht die größte Anstrengung, die Community zu organisieren und lebendig zu halten. Je näher sich Mitglieder am Kern befinden, desto höher Interesse an der Teilnahme. Das Engagement nimmt nach außen hin ab.

Entwicklungsstufen

  1. Gründung: Die CoP besteht noch nicht oder ist ein loses Netzwerk von Personen, die zu einem Thema Beziehungen unterhalten. Diese Personen machen Ihr Themenfeld bekannt und laden dazu ein, an dem Netzwerk teilzuhaben. Die Hauptaufgabe in der Gründungsphase besteht in der Planung, sich dem Problemfeld ernsthafter auseinander zu setzen.
  2. Verschmelzung: Diese Phase ist geprägt durch die Bildung einer Grundstruktur, in der Ziele, Kommunikationsmöglichkeiten und Aufgaben grob definiert werden. Die Hauptaufgabe hier besteht in der Bestimmung des Wertes eines Wissensaustauschs für Mitglieder und Organisation(en), im Aufbau von persönlichen Beziehungen und Vertrauen.
  3. Reifung: Die Reifungsphase zeichnet sich durch die Steigerung des gemeinschaftlichen Engagements, Dynamik und Mitgliederzuwachs aus. Wissen wird aufgebaut, ausgetauscht und Ziele werden definiert. Die Anzahl der Mitglieder wächst und es bildet sich die Kerngruppe der CoP heraus. Fortlaufend werden Ziele, Aufgaben und Kommunikationswege bewertet und an den Bedürfnissen der Mitglieder ausgerichtet. Die Herausforderung in dieser Phase ist das Lösen der Spannung zwischen Wachstum und Fokussierung. Die Kerngruppe muss sich zum Koordinator entwickeln, um "Wildwuchs" im Themenfeld zu erkennen und die Lösungssorientierung im Fokus zu halten.
  4. Bewirtschaftung: Das Gemeinschaftswissen wird in der Bewirtschaftungsphase stärker organisiert. Kennzeichnend sind der Ausbau und die Vertiefung von Expertise und Beziehungen, die Weiterentwicklung von Hilfsmitteln und Methoden und die Identifikation der Mitglieder mit der gemeinsamen Leistung. Für die Mehrzahl der Mitglieder ist die Bewirtschaftung ein akzeptabler Stand. Die Gefahr der Genügsamkeit ist sehr groß und Mitglieder können dahin tendieren, weniger Wissen hineinzutragen als herausgenommen wird.
  5. Verwandlung: Die letzte Phase kann zum Ende einer CoP oder zur Weiterentwicklung führen. Das Ende kann durch technologische Entwicklungen begründet sein, durch welche die Community obsolet wird. Strukturelle Veränderungen können dazu beitragen, dass der CoP die Existenzgrundlage(n) entzogen werden und der Nutzen in Frage gestellt wird. Interessekonflikte innerhalb der Gemeinschaft oder zwischen Mitgliedern und Arbeitgebern können dazu führen, dass eine Community of Practice aufgelöst wird. Positive Entwicklungen können sein, dass CoPs, die Gemeinsamkeiten im Themenfeld haben, fusionieren oder als Abteilungen institutionalisiert werden.

Wenger, McDermott und Snyder haben diese fünf Phasen an Hand von Studien entwickelt und sagen, dass in der Mehrzahl Communities of Practice nach diesen Prinzipien leben, aber nicht alle die fünf Phasen durchlaufen. Die Wissenschaftler haben durch die Beschreibung ein Muster aufgestellt, wonach die Entwicklung von CoPs kategorisiert und bei Bedarf auch korrigiert werden kann.

Gestaltungsprinzipien (Pflege)

Ergänzend zu den fünf Phasen von CoPs haben Wenger, McDermott und Snyder das Konzept der Kultivierung und Gestaltung erarbeitet.

  • Gestaltung durch Evolution (design for evolution): Notwenigkeit von Veränderungen, Einführung neuer Mitglieder und Anpassung an diese, Veränderung der Struktur der CoP durch Offenheit gegenüber neuen Quellen, Diskussionsplattformen und- traditionen
  • Eröffnung eines Dialogs zwischen inneren und äußeren Perspektiven (open a dialogue between inside and outside perspectives): Überwindung von gewohnten Strukturen zur Weiterentwicklung und Pflege von Fachwissen und Überwindung des Eigennutzes durch Bekannt machen von persönlichen Kontakten oder Netzwerken sowie externe Standpunkte (die Sicht von außen) einholen
  • verschiedene Stufen der Teilnahme ermöglichen (invite different levels of participation): Akzeptanz von unterschiedlichen Graden der Einsatzintensität auf Grund von verschiedenen Verwertungsinteressen zulassen, Toleranz gegenüber passiver vs. aktiver oder regelmäßiger vs. unregelmäßiger Teilnahme und Förderung von Novizen
  • Entwicklung von öffentlichen und privaten Begegnungsräumen (develop both public and private community spaces): ausschließlich öffentlichen Begegnungsräumen hindern die persönliche Entfaltung von Mitgliedern - persönliche Beziehungen untereinander fördern Vertrauen und Einsatzwillen. private Begegnungsräume sind der Schlüssel zu erfolgreichen, kollektiven Begegnungen in virtuellen oder Präsenzveranstaltungen, direkte Beziehungen (one-on-one networking) sollen durch die Kerngruppe gefördert werden
  • Betonung des Nutzens (focus on value): der Wert einer CoP stellt sich erst im Laufe der Entwicklung heraus und kann sich ständig ändern, Aufmerksamkeit, Flexibilität und Bereitschaft zur Akzeptanz von neuen Formen des Nutzens einer CoP sind wichtige Kriterien neben Dynamik und Interaktionsfähigkeit
  • Kombination von vertrauter und anregender Interaktion (combine familiarity and excitement): offene und aufrichtige Diskussionen erwecken Vertrauen und Agilität, Finden einer Mischung aus vertrauten Praktiken und neuen Impulsen
  • Rhythmus für die Gemeinschaft (create a rhythm for the community): Anpassung an die Entwicklung der Mitglieder zusammen mit Anreizen zur Weiterentwicklung, das richtige Tempo erzeugt einen zeitlich höheren Entwicklungsbezug, Optimierung des Arbeitsklimas durch Anpassung an das Tempo der Mitglieder

Literatur

Bettoni, M., Clases, C., & Wehner, T. (2004). Communities of Practice im Wissensmanagement: Charakteristika, Initiierung und Gestaltung. In G. Reinmann & H. Mandl (Hrsg.). Psychologie des Wissensmanagements (S. 319-328). Göttingen: Hogrefe. ISBN: 3801718158

Henschel, A. (2001): Communities of Practice: Plattform für individuelles und kollektives Lernen sowie den Wissenstransfer. Bamberg: Difo Druck GmbH (Dissertation der Universität St. Gallen). ISBN: 3824474336

Wenger, E. (1998): Communities of Practice: learning, meaning and identity. Cambridge: Cambridge University Press. ISBN: 0521430178

Wenger, E., McDermott, R., Snyder, W. (2002): Cultivating Communities of Practice: A guide to managing knowledge. Boston: Harvard Business School Press. ISBN-10: 1578513308 / ISBN-13: 978-1578513307

Internetseiten

Verwandte Begriffe

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