Virtuelle Universität

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Was ist eine virtuelle Universität (VU)?

"Virtuelle Universität" bezeichnet den Versuch, die akademische Lehre von den Beschränkungen durch Raum und Zeit zu befreien.

Nach Büschken:

„Die virtuelle Universität ist im heutigen Verständnis eine Institution, die ihren Studierenden Zugang zu Inhalten, Programmen und Serviceleistungen zumeist über das Internet verschafft.
Sie kann dies auf drei Wegen erreichen. Sie kann zum einen aus einer klassischen – quasi physischen – Universität hervorgehen, die Teile ihres Programms virtualisiert. Die Virtualisierung kann aber auch im Verbund mit anderen Partnern – also im Rahmen einer Kooperation – stattfinden. Der radikalste Weg wäre die Neugründung einer Hochschule, die nur noch im Cyberspace existiert.“

  • Die VU bietet neue Lehrformen, welche zeitlich flexibles, individualisiertes und bedarfsorientiertes Lernen ermöglichen und dabei insbesondere die Aspekte Kommunikation und Kooperation einbeziehen. Dazu bedarf es keiner neuen Entwicklung in der Kommunikationstechnologie, vielmehr fehlt es heute an Anwendungen der Kommunikationstechnologie.
  • Die erste VU gab es 1994: die „Offene Katalanische Universität“, deren Zweck es ist, Studenten vor allem aber nicht nur in Katalonien Zugang zu einer qualitativ hoch stehenden Ausbildung ohne räumliche und zeitliche Hindernisse zu verschaffen.
  • Mittlerweile gibt es allein in den USA über 100 VU, die komplette Studiengänge mit Abschluss über das Internet anbieten.

Das Konzept der virtuellen Universität

  • Das Konzept der virtuellen Universität bietet alle für die Studierenden relevanten Funktionen einer Universität über Kommunikationsnetze (primär Internet) an
  • Sie soll neue Lehrformen und räumlich sowie zeitlich flexibles, individualisiertes und bedarfsorientiertes Lernen durch konsequente Nutzung der Hypermedia- und der Kommunikationstechnologie bieten


Neben dem Zugang zu Lehrmaterialien einer VU gehören auch

  • umfassende Kommunikationsmöglichkeiten
  • die Unterstützung sozialer Kontakte zwischen Studierenden
  • die Unterstützung von Gruppenarbeit, Seminaren, Praktika
  • die Einbindung des Übungsbetriebs
  • umfassende Informations- und Beratungssysteme
  • der Zugang zu einer Bibliothek
  • die Einbindung alle Verwaltungsbezogenen Abläufe


Grundlage der VU sind die Hypermedia- und Kommunikationstechnologien:

  • Zeit- und Ortsunabhängigkeit der Erreichbarkeit durch das Internet
  • Alle Lehrmaterialien stehen als hypermediale Dokumente in der VU zur Verfügung:

Computer Based Trainings, Videos, Animationen, Simulationen, Textkurse


Neben Lehrmaterialien werden auch alle anderen Funktionen über das Netz angeboten

  • Rückmeldung
  • Kursbelegung
  • Onlinerecherche
  • Informationen werden über Email versendet


Vorteile einer VU

  • zeitunabhängiges Studieren, der Server läuft Tag und Nacht
  • zeitunabhängige Kommunikation, Email beliebig abschicken, der Empfänger antwortet wenn er Zeit hat
  • extrem kurze Bestellzeiten
  • geringerer Aufwand als bei Präsenzveranstaltungen (Anfahrt, Urlaub, ...) (allerdings ist die Frage der Lehrenden nicht geklärt: d. h. es ist nicht untersucht worden, ob der Aufwand der Lehrenden zur Vorbereitung und Gestaltung eines solchen Kurses größer ist als bei Präsenzveranstaltungen.)
  • umfangreiche Möglichkeiten der Informationssuche
  • keine überfüllten Hörsäle
  • Vorteile für Berufstätige und nicht am Studienort wohnende Studierende,...
  • Umgang mit einer Technologie, die in hohem Maße im späteren Berufsfeld zum Einsatz kommt

Büschken sagt dazu:

  • dynamische Entwicklung in der Vergangenheit wird aller Voraussicht nach auch in der Zukunft anhalten
  • technische Entwicklung wird soweit vorangeschritten sein, dass sie dazu führt, dass VU vor allem im Rahmen geisteswissenschaftlicher Studiengänge zu ernstzunehmenden Konkurrenten für die etablierten Unis werden, da sie effizienter und flexibler sind und geringere Kapazitätsprobleme haben.

Beispiel:

Das New Scientist Magazine berichtet, dass im Vergleich zweier Gruppen von Soziologiestudenten an einer US-amerikanischen Universität die Studenten, die über das Internet studierten, im Durchschnitt 20% höhere Punktzahlen in den Abschlussexamina erzielten (http://foxnews.com/scitech/013097/internetclass.sml Link defekt!!!). Russel (1998) fasst insgesamt 248 empirische Untersuchungen zum Einfluss physischer Anwesenheit von Lehrenden und Lernenden auf Erfolg der Wissensvermittlung unter Einschluss jüngerer Untersuchungen zu Internetbasierten Ansätzen zusammen. Aus seinen Ergebnissen ist klar der Schluss abzuleiten, dass sich das Fehlen der unmittelbarer Nähe des Dozenten nicht negativ auf den unmittelbaren Lernerfolg auswirkt.

Nachteile

  • Schwierigkeiten für Erstsemester die Studierfähigkeit zu erlernen
  • Mangelnde Selbstdisziplin kann sich nachteilig auswirken
  • Fehlen direkter Kommunikation bei Fragen
  • Diskussion nur in längerem Zeitraum möglich, durch E-Mail, Telefon. Ein spontaner Aufbau einer Diskussion mit mehreren Teilnehmern ist sehr schwierig
  • Fehlende face-to-face Kontakte und zwischenmenschliche Kommunikation
  • fehlende Kriterien für Beurteilung virtuell erbrachter Leistungen

Realisierung der virtuellen Universität

An der FernUni Hagen wurde auf Basis des World Wide Web ein Prototyp einer Plattform (hierzu gehören mehrere miteinander verbundene Server: FTP-Server für den Datenaustausch, Datenbank-Server, mehrere Server für Kommunikations- und Kooperationsfunktionen...) der Virtuellen Universität entwickelt, das System ist seit WS96/97 im Einsatz. Die virtuelle Universität gliedert sich in folgende funktionale Bereiche: Lehre, Bibliothek, News, Cafeteria, Büro, Forschung, Shop sowie Information. Diese Aufteilung ist eine funktionale Strukturierung, die sich an den Bedürfnissen der Benutzer orientiert. Sie weicht bewusst ab von den sonst typischen Präsentationen entlang der Aufbau-Organisation der Universität (Dezernate, Fachbereiche, Lehrgebiete, zentrale Einrichtungen etc.): Studierende wollen sich für eine bestimmte Lehrveranstaltung anmelden (Bereich Büro) und am laufenden Lehrbetrieb teilnehmen (Bereich Lehre und News), wollen Informationen finden (Bereich Information), miteinander kommunizieren (Bereich Cafeteria), Material bestellen (Bereich Shop) usw.


Die Elemente der Oberfläche sind:

  • Lehre
Hier finden die Studierenden Zugang zu den Lehrveranstaltungen (Vorlesungen, Seminare, Praktika, Prüfungen oder Übungsgruppen usw.). Nach dem Betreten des virtuellen Hörsaalgebäudes erhält der/die Studierende einen Überblick ihrer aktuell belegten Lehrveranstaltungen. Von hier aus können Kurse weiterbearbeitet, Fragen zu Kursinhalten an Kommilitonen versendet oder Literaturrecherchen durchgeführt werden. Mächtige Kommunikationswerkzeuge unterstützen Online-Seminare, Online-Übungsgruppen oder die Durchführung von Praktika. Teamarbeit der Studierenden wird mittels geeigneter Softwaresysteme (CSCW) unterstützt.
  • Bibliothek
Über die Bibliothek wird ein bequemer Zugang zu traditionellen und digitalen Bibliotheken realisiert. Für die Hochschulbibliothek steht eine Schnittstelle zur Verfügung, über die Recherchen durchgeführt sowie Bücher vorgemerkt bzw. bestellt werden können. Zugänge zu weiteren Online-Bibliotheken werden angeboten. Über die Bibliothek können auch in digitaler Form verfügbare Bücher oder Artikel eingesehen und auf das lokale System übertragen werden.
  • News
Die News übernehmen die Funktion eines universitätsweiten schwarzen Brettes mit aktuellen Informationen. Im Gegensatz zu schwarzen Brettern an Präsenzuniversitäten werden die Anwender durch Strukturierung und Suchfunktionen bei der Auswahl der für sie relevanten Informationen umfassend unterstützt.
  • Cafeteria
Die virtuelle Cafeteria bietet ein Forum für soziale Kontakte unter den Studierenden. Mit Hilfe verschiedener Kommunikationswerkzeuge können hier Fragen zum Studium oder Dinge des täglichen Lebens diskutiert werden. Zusätzlich werden schwarze Bretter angeboten, an denen Studierende Aushänge anbringen können, etwa zur Suche von Mitfahrgelegenheiten, zur Bildung von Arbeitsgruppen oder zur Wohnungssuche.
  • Büro
Hier erhält der Benutzer Zugang zu den administrativen Funktionen der Universität. Hierzu gehören einfache Möglichkeiten zur Belegung von Kursen, zur Rückmeldung, zur Änderung von persönlichen Daten usw.
  • Forschung
Hier werden Forschungsergebnisse veröffentlicht, Fragen zu Forschungsgebieten diskutiert und die Forschungsinteressen einzelner Fachgebiete präsentiert. Diese Funktion ist wichtig für die Wissenschaftler der Universität, Doktoranden, Diplomanden, Projektgruppen usw.
  • Shop
Im Shop kann der Benutzer alle Materialien durchstöbern, abrufen oder bestellen, die gegen Gebühr abgegeben werden. Dies betrifft vor allem die Weiterbildung. Dieses Angebot ist von speziellem Interesse für das Training on the job - ich kann jederzeit auf das benötigte Material aus meiner beruflichen Situation heraus zugreifen.
  • Info
Die Information ist mit der Auskunft und dem Pförtner einer realen Universität vergleichbar. Sie ist zentrale Anlaufstelle für jegliche Fragen. Sie liefert Einstiegstipps und verweist auf Informationsseiten zu spezielleren Fragen. Ein Mitarbeitertelefon- und Emailverzeichnis liegen ebenfalls vor. Bei Bedarf wird zu menschlichen Beratern durchgestellt. Über die Information werden auch so genannte "guided tours" angeboten, bei denen beispielsweise am Fernstudium interessierte Besucher über den virtuellen Universitätscampus geführt werden.

Implementierungsaspekte

Das Virtuelle Universitäts-System basiert auf einer Client/Server Architektur. Alle Netzwerkprotokolle setzen auf der TCP/IP Protokoll Suite auf (siehe hierzu auch: Infrastruktur des Internets). Der Zugang erfolgt in der Regel über den WWW Server. Clients können über das lokale Netz, über einen Remote Access Service oder über das Internet auf die virtuelle Universität zugreifen. Der WWW Server ist über ein lokales Netzwerk (LAN) mit einem Datenbank-Server, einem FTP Server sowie mehreren Servern für Kommunikations- und Kooperationsfunktionen verbunden.

http://server02.is.uni-sb.de/courses/wiki/images/0/07/Bild_1.jpg

„unsicherer“ WWW Server

  • verwendet zur Kommunikation mit den Clients das HTTP Protokoll

„sicherer“ WWW Server

  • Server wird für alle funktionalen Bereiche der virtuellen Universität verwendet

Datenbankserver

  • Server wird für alle funktionalen Bereiche der virtuellen Universität verwendet - FTP Server
  • Zur effizienten Übertragung von Dateien

Mail Server

  • Zur effizienten Übertragung von Dateien

News Server

  • stellt Diskussionsgruppen zur Verfügung

Chat Server

  • erlaubt online Kommunikation zwischen den Benutzern der virtuellen Universität

Video Server

  • bietet Mehrpunkt-Audio-/Videokonferenzen auf Basis des UDP/IP Protokolls

Java Communication Server

  • integriert alle bisher beschriebenen Kommunikationsdienste und unterstützt die Benutzer beim Finden von Kommunikationspartnern an der virtuellen Universität

Prüfungen

Es gibt sowohl schriftliche als auch mündliche Prüfungen. Schriftliche Prüfungen werden meistens an anderen Universitäten oder Studienzentren angeboten.

Neben Kursen gehören Seminare und Praktika ebenfalls zum Lehrangebot der FernUni. Themengebiete und Aufgabenstellungen in Seminaren und Praktika wechseln im Gegensatz zu den Kursen von Semester zu Semester. Für die Studierenden sind bei der Teilnahme an diesen Lehrveranstaltungen in der Regel mehrere Präsenztermine notwendig. Die Teilnehmer treffen sich mit den Betreuern zur Übergabe der Einstiegsliteratur, zu einer Besprechung des Themas, bei Rückfragen und bei der abschließenden Präsentation vor der Gruppe. Als Kommunikationsmittel werden Post und Telefon verwendet.

Häufig gestellte Fragen

Voraussetzungen für die VU:

  • Einschreibung an der FernUni
  • Grundausstattung (PC, Internetanschluss, Software, ...)

Möglichkeiten der VU:

  • Information und Angebot der einzelnen Lehrgebiete
  • Studieren
  • Anmeldung zu Prüfungen
  • Aktuelle Informationen ...

Kosten:

  • reguläre Einschreibung für den Kurs
  • die Teilnahme an der VU an sich ist kostenlos

Anmeldung zum Studium:

  • online (Formular)
  • Postweg

Erreichbarkeit der Mitarbeiter:

  • Email
  • Telefon
  • Fax

Anmeldung zu Veranstaltungen:

  • Alle Veranstaltungen werden über entsprechende Informationsseiten auf dem Server der VU angekündigt

Werden auch Prüfungen über das Netz abgenommen?

  • Vereinzelt möglich (Online-Videokonferenz)
  • Studienzentren mit besonderer Ausstattung

Literatur:

  • Buhrmann, Peter (1997): Die virtuelle Universität: Konzept und Architektur am Beispiel der FernUniversität Hagen. Hagen
  • Büschken, Joachim (2000): Zukunft - virtuelle Universität?. Katholische Universität Eichstätt
  • Nistor, Nicolae; Mandl, Heinz (2000): Das virtuelle Seminar KOALAH, „Lernen in Computernetzen“. LMU

Verwandte Begriffe

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